Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Keine Aktion ohne vorherige Abstimmung! Du bleibst nur an ihm dran, ist das klar?“
Die Gegenseite bestätigte. „Ende.“ Der Mudschahidin deaktivierte das Handy und steckte es zurück. Die Situation hatte sich grundlegend geändert, da er nun allein gegen den Deutschen antreten würde. Sie waren davon ausgegangen, daß sie zu zweit gleichzeitig beide, den Deutschen und den Amerikaner, attackieren würden. Da der Deutsche und der Amerikaner sich während des Geländelaufs zu unterhalten pflegten, wären sie abgelenkt gewesen. Das war nun nicht der Fall. Er würde seinen Plan ändern müssen.
Sein Blick glitt über das Gelände. Er beschloß, seinen Standort zu ändern. Da der Deutsche nun ohne Gesprächspartner unterwegs war, würde er hören, wenn ihm jemand folgte. Möglicherweise würde er Verdacht schöpfen. Insofern wäre es unauffälliger, wenn er ihm entgegen liefe. Er beschloß, weiter östlich einen geeigneten Ort zu suchen, wo er unauffällig auf den Deutschen warten konnte. Unverzüglich machte er sich auf den Weg. Ungefähr 200 Meter ostwärts hatte er gefunden, wonach er suchte. Ein verlassenes Dienstgebäude aus Reichsbahnzeiten markierte – unmittelbar am Bahndamm gelegen – den Beginn einer Gleisharfe. Diese wurde als Abstellgruppe für Kerosin-Züge genutzt. Zahlreiche Waggons standen dort bereit; sie würden hervorragende Deckung bieten. Der Mudschahidin erklomm den Bahndamm, stellte sich zwischen zwei Waggons eines unmittelbar neben dem Weg abgestellten Zuges und prüfte das Sichtfeld. Er konnte den Joggingpfad Richtung Westen nahezu 400 Meter weit einsehen; von dort käme der Deutsche, Zeit genug, unbemerkt den Angriff vorzubereiten. Er beschloß, aufgrund der idealen Versteckmöglichkeit nun doch von hinten anzugreifen. In Gedanken spielte er zunächst den Angriff durch, dann lehnte er sich, vom Weg aus kaum erkennbar, unter dem Waggon gegen ein Drehgestell. Er drückte sich mit aller Kraft ab, machte schräg zur gedachten Laufrichtung des Opfers einen kraftvollen Schritt auf ein Schwellenende und sprang von dort mit einem weiten Satz hinunter auf den Weg. Es bereitete kein Problem, die Sprunghöhe abzufedern. Mit zwei, drei Sätzen hatte er die gedachte Angriffsposition erreicht, um die Würgeschlinge über den Kopf des Todgeweihten werfen zu können. Das alles war eine Sache von allenfalls zwei Sekunden. Der Deutsche hätte keine Chance.
Er ging zurück zur Ausgangsstellung, kauerte sich erneut hinter das Drehgestell und wiederholte die Angriffsübung. Unten ermittelte er den Vorsprung, den der Deutsche haben müßte, um den Angriff nicht erkennen zu können. Knapp drei Meter reichten hierzu aus. Er markierte die Stelle mit einem Stein. Dann wiederholte er mehrfach die Attacke, bis er endlich mit dem Ergebnis zufrieden war. Nun mochte der Deutsche kommen! Er nahm die Warteposition hinter dem Drehgestell ein, schaute auf die Uhr. 21:10 Uhr – jeden Moment müßte er auftauchen! Der Mudschahidin prüfte ein letztes Mal Griffe und Draht der Würgeschlinge. Nur noch wenige Minuten, dann würde sie den lautlosen Tod bringen. Er spürte den beschleunigten Puls. Jagdfieber hatte ihn gepackt.
Wieder ging sein Blick nach Westen. Da – in der Wegbiegung erschien ein Jogger! Es war der Deutsche! Der Mudschahidin duckte sich in Angriffsposition. Endlich würde der Tanz beginnen! Er liebte dieses Gefühl unmittelbar vor der Attacke, mehr noch, als das Töten. Das war Adrenalin pur! Und die Belohnung folgte auf dem Fuße: Jeder erfolgreich abgeschlossene Angriff löste in ihm ein Gefühl höchsten Glücks aus. Er befand sich im Dschihad, Mitleid mit dem Gegner war da nicht angebracht. Vielmehr war es seine Aufgabe, Ungläubigen den maximal darstellbaren Schaden zuzufügen. Das bedeutete prinzipiell den Tod. So hatte man es ihn in Peshawar gelehrt. Er hatte die Botschaft verinnerlicht und funktionierte zuverlässig, furchtlos, mechanisch. Man übertrug ihm bevorzugt schwierige Aufgaben. Sein Vater wäre stolz auf ihn, doch der war 1982 im iranisch-irakischen Krieg bei Basra gefallen. Er konnte sich nicht an ihn erinnern und wünschte sich nichts sehnlicher, ihm als Märtyrer im Paradies begegnen zu dürfen.
Der heftige Ruck in seinem Rücken kam unerwartet. Ein Zischen durcheilte den Zug, näherte sich rasch seinem Standort, dann schlugen in den Drehgestellen vor und hinter ihm die Bremsklötze an. Er begriff nicht die Bedeutung dieses Vorgangs, er hatte mit Eisenbahnen sein ganzes Leben nicht zu
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