Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
und wird sehr viel von Dir verlangen.
Ich bin eine sehr, sehr alte Frau, meine Liebe, und habe nicht mehr viel Zeit. Die Monate oder Jahre, die mir noch gewährt sind (und die vielleicht nur für mich selbst Wert haben), können sehr leicht auf eine Art abgekürzt werden, die, wie ich es gern sehen möchte, nicht im Willen Gottes liegt. Natürlich akzeptiere ich als Oberhaupt des Hauses Scarlatti dieses Risiko, und wenn ich die mir noch verbleibende Zeit damit verbringen kann, unserer Familie eine große Schande fernzuhalten, so will ich freudig und mit dankbarem Herzen zu meinem lieben Mann hinübergehen.
Ich erwarte Deine Antwort durch Mr. Canfield. Wenn sie so ausfällt, wie ich das vermute, werden wir in Kürze zusammen sein, und Du wirst mir mehr Freude machen, als ich es verdiene. Wenn nicht, kannst Du dennoch meiner Zuneigung und, glaube mir, wenn ich das sage, meines Verständnisses versichert sein. Elizabeth Wyckham Scarlatti.<
Canfield steckte den Brief in den Umschlag zurück. Er war wirklich gut, dachte er zum wiederholten Mal. Er erklärte nichts und verlangte das Vertrauen darauf, daß die Angelegenheit, um die es hier ging, von lebenswichtiger Dringlichkeit war. Wenn er seine Aufgabe erfüllte, würde die junge Frau mit ihm nach England zurückkehren. Wenn es ihm nicht gelang, sie zu überzeugen, würde er eine andere Lösung finden müssen.
Die Backsteinvilla Ulster Scarletts an der Fiftyfourth Street wurde gerade frisch gestrichen. Am Dach waren einige Gerüste befestigt, und eine Anzahl Arbeiter waren emsig am Werk. Das schwere Checker-Taxi hielt vor dem Eingang. Matthew Canfield ging die Treppe hinauf und klingelte. Die korpulente Haushälterin öffnete die Tür.
»Guten Tag, Hannah. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, mein Name ist Canfield. Matthew Canfield. Ich möchte Mrs. Scarlett sprechen.«
Hannah war offenbar nicht gewillt, ihm Zutritt zu gewähren. »Werden Sie von Mrs. Scarlett erwartet?«
»Nein, aber ich bin sicher, daß sie mich empfangen wird.«
Er hatte keine Sekunde daran gedacht, sie anzurufen. Es wäre zu leicht für sie gewesen, ihn abzuweisen.
»Ich weiß nicht, ob die gnädige Frau zu Hause ist, Sir.«
»Dann muß ich eben warten. Soll ich das hier auf der Treppe tun?«
Hannah machte dem Buchprüfer widerstrebend Platz und ließ ihn in die Eingangshalle mit ihren scheußlichen Farben treten. Wieder wurde sich Canfield der Intensität der roten Tapete und der schwarzen Vorhänge bewußt.
»Ich werde mich erkundigen, Sir«, sagte die Haushälterin und ging auf die Treppe zu.
Einige Minuten darauf kam Janet die lange Freitreppe herunter, gefolgt von der schwerfälligen Hannah. Sie wirkte sehr gefaßt. Ihre Augen waren klar und aufmerksam und ließen die Panik vermissen, an die er sich erinnerte. Sie hatte die Situation unter Kontrolle und war ohne Zweifel eine ausnehmend schöne Frau.
Canfield empfand ein Unbehagen, das ihm seine Unterlegenheit bewußt machte.
Diese Frau gehörte einer Klasse an, von der er nur träumen konnte.
»Mr. Canfield, was für eine Überraschung!«
Sie war freundlich, aber kühl und reserviert. Janet hatte die Lektionen der Reichen gut gelernt.
»Hoffentlich keine unwillkommene, Mrs. Scarlett.« »Aber nein.«
Hannah hatte inzwischen die unterste Treppe erreicht und ging jetzt auf die Tür des Speisezimmers zu. Canfield sprach schnell weiter: »Während meiner Reise bin ich einem jungen Mann begegnet, dessen Firma lenkbare Luftschiffe herstellt. Ich wußte, daß Sie das interessieren würde.« Canfield beobachtete Hannah aus dem Augenwinkel, ohne dabei den Kopf zu bewegen. Hannah hatte sich abrupt herumgedreht und sah den Buchprüfer an.
Janet hob verwirrt die Brauen. »Aber ich muß schon sagen, Mr. Canfield! Weshalb sollte mich das interessieren?«
»Ich bin der Ansicht, daß Ihre Freunde in Oyster Bay eines für ihren Klub kaufen möchten. Hier, ich habe Ihnen alle Informationen mitgebracht. Kaufpreis, Mietbedingungen,
technische Daten, alles ... Erlauben Sie mir, Ihnen die Unterlagen zu zeigen.«
Der Buchprüfer griff nach Janet Scarletts Arm und führte sie schnell zur Tür des Wohnzimmers. Hannah zögerte kurz, zog sich aber auf einen Blick Canfields hin in das Speisezimmer zurück. Jetzt schloß Canfield die Wohnzimmertür.
»Was soll das?« fragte Janet. »Ich will kein Luftschiff kaufen. «
Der Buchprüfer blieb an der Tür stehen und gab der jungen Frau mit einer Handbewegung zu verstehen, daß sie schweigen
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