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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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hatte der Mann nichts Rechtes zum Essen finden können. Da sagte seine Frau zu ihm: »Mein Said, wir haben diesen Ochsen, der uns nichts nütze ist. Ein Ochse kann unsern Kindern nicht täglich etwas zur Nahrung bieten wie Ziegen oder Schafe. Ich rate dir also, den Ochsen zu verkaufen und dafür einige Ziegen oder Schafe zu erstehen.« Said sagte: »Du hast recht; ich will den Ochsen forttreiben und einen Käufer suchen.« Said machte sich mit dem Ochsen auf den Weg, um den nächsten Marktplatz aufzusuchen. Als er aber ein Stück weit gekommen war, kamen ihm vierzig Räuber mit ihrem Schech an der Spitze entgegen. Der Räuberhauptmann sagte: »Du kommst uns gerade zu recht in den Weg; denn da ich heute abend meinen Leuten ein Essen geben soll, brauche ich ein Schaf. Dein Schaf ist mir nun sehr geeignet!« Said sagte: »Verzeih Herr, es ist ein Ochse!« Der Räuberhauptmann sagte: »Schweige; wenn ich dir sage, daß es ein Schaf ist, dann ist es so! Ich werde dir also den Preis für ein Schaf dafür zahlen.« Said sagte: »Herr, bedenke, daß ich ein armer Mann bin und Kinder habe. Zahle mir also den Ochsen.« Der Räuberhauptmann aber sagte: »Welches ist denn der Beweis, daß es ein Rind ist? Ich sehe nur ein Schaf!« Said sagte: »Herr, sieh doch nur den Schwanz an!« Der Räuberhauptmann lachte und sagte: »Wenn das alles ist, so soll dir schnell geholfen werden.« Er schnitt den Schwanz des Ochsen ab, warf ihn Said zu, zahlte vierzig Piaster als Preis für ein Schaf und ritt mit seinen vierzig Räubern und dem Ochsen von dannen.
    Said nahm die vierzig Piaster und den Ochsenschwanz und machte sich auf den Heimweg. Nachdem Said ein Stück weit gegangen war, sagte er bei sich: »Es wird besser sein, ich sehe mich nach dem Wege um, den mein armes Schaf gegangen ist, damit ich nachher Bescheid weiß.« Er wandte sich also um und suchte die Fährte der Räuber. Er sah nun, daß sein Ochse infolge des Schwanzschnittes viel Blut verloren und so eine gute Spur gezeichnet hatte. Er folgte ihr, bis er in der Ferne das Haus des Räuberhauptmannes sah; dann kehrte er zu seiner nicht allzu entfernten eigenen Behausung zurück.
    Als er daheim angekommen war, sagte er: »Zunächst habe ich unsern Ochsen verkauft, aber nur die Anzahlung im Preise eines Schafes erhalten.« Die Frau sagte: »Hast du denn von dem Käufer eine Sicherheit dafür erhalten, daß er auch den Rest zahlt?« Said sagte: »Gewiß, eine solche Sicherheit habe ich.« Dabei zog er den Schwanz des Ochsen heraus und zeigte ihn. Die Frau sagte: »Das ist eine merkwürdige Sicherheit.« Said sagte: »Warte nur! Du wirst schon sehen, daß der Mann gern ganz außerordentliche Summen zahlen wird. Komm nur heute abend mit mir.«
    Als es Abend geworden war, zog Said die schönsten Kleider seiner Frau an, band sich aber darunter den Ochsenschwanz um den Leib. Dann sagte er: »Nun komm mit mir. Wir sind jetzt beide Frauen.« Die Frau begleitete ihren Mann, und als sie in die Nähe des Gehöfts des Räuberhauptmanns gekommen waren, sagte Said: »Mein Frau, nun halte dich hier versteckt. Du siehst dort drüben die große Seriba (Ansiedlung) mit dem großen Haus. Ich werde dort hineingehen und werde längere Zeit brauchen, um die zweite Zahlung für unsern Ochsen einzustreichen. Warte hier auf mich und hilf mir dann, das Geld heimzutragen.« Die Frau blieb also zurück.
    Said ging aber in seinen Frauenkleidern bis zur Seriba des Räuberhauptmanns. Dort setzte er sich in der Stellung einer bittenden Frau am Tore nieder. Der Räuberhauptmann war gerade damit beschäftigt, das Fleisch des geschlachteten Ochsen unter seine Leute zu verteilen. Als er damit fertig war und sein Blick auf die fremde schöne Frau, als die Said sich verkleidet hatte, fiel, sagte er: »Frau, wer bist du? Was willst du?« Die Frau (Said) sagte: »Ich bin aus einer andern Gegend und wollte heimkehren. Ich verlor die Spur meines Mannes und finde mich im Dunkeln nicht mehr zurecht. Ich bin mit jedem Lager zufrieden, das du mir etwa für die Nacht anweisen kannst.« Der Räuberhauptmann sagte: »Wenn du still sein und kein Geräusch machen willst, so daß meine Frau nichts von deiner Anwesenheit hört, dann will ich dich wohl mit in meine Kammer nehmen.« Die fremde Frau sagte: »Ich werde sicher kein Geräusch machen, wenn du keines machst.« Darauf brachte der Räuberhauptmann die fremde Frau in die Kammer, in der er zu schlafen pflegte und in der außer seinem Angareb auch die Truhe mit seinen Schätzen

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