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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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herauskommen kann. Dein Unterschied wird aus dem Schmuck also wohl ein steinernes Kind machen.« Die Frau des Muezzin schrie vor Schreck auf. Die Frau des Muezzin sagte: »Was? Ein steinernes Kind soll ich gebären? Daran sterbe ich!« Der Mekkapilger sagte: »Ja, daran sterben die Frauen.« Die Frau des Muezzin warf sich vor dem Mekkapilger auf die Erde und sagte: »Ich bitte dich! Ich bitte dich! Versuche es schnell, ob du die gestohlenen Sachen wieder aus meinem Unterschied herausholen kannst! Ich bitte dich!« Der Mekkapilger sagte: »Lege dich hin! Ich verspreche dir, daß ich alles tun werde, um deinem Unterschied den Raub wieder zu entreißen!«
    Die Frau legte sich hin. Der Mekkapilger aber begann mit großer Vorsicht mit seinem Unterschied die Untersuchung; und als er dies eine Weile so ausgeführt hatte, daß auch die Frau seine Sorgfalt und Fürsorge bemerken mußte, griff er mit der Hand nach unten und langte aus seinem Hosenbein ein Armband heraus! Die Frau des Muezzin sagte: »Ja, das ist das erste! Ich danke dir! Ich danke dir! Schnell suche auch das andere!« Der Mekkapilger begann also nach einer kleinen Ruhepause die Untersuchung aufs neue und brachte diesmal das zweite Armband hervor. Die junge Frau war darüber sehr glücklich und hätte nun gern die Untersuchung sogleich zu Ende geführt gesehen. Der Mekkapilger bestand aber darauf, daß sie erst ein Frühstück einnähmen und einigen aus einer Flasche mitgenommenen Wein tränken, um so die Unterschiede zur Ruhe zu bringen.
    Der genossene Wein hatte aber zur Folge, daß die junge Frau noch viel emsiger auf die Durchsuchung ihres diebischen Unterschiedes bestand. Sie sagte: »Mein Unterschied empfindet es gar nicht unangenehm, daß du ihn nach allen Richtungen auf den gestohlenen Schmuck hin untersuchst, und mir will es scheinen, als ob er die gestohlenen Sachen auf diese Weise sehr gern wieder hergibt; ja, als ob er nach jeder Untersuchung nach einer Wiederholung dränge.« Der Mekkapilger sagte: »Dieses ist sehr erklärlich. Denn dein Unterschied hat deine Steine und dein Gold nur deshalb gestohlen, weil er solange bei einem Manne nichts stehlen konnte.« Die Frau des Muezzin sagte: »Nun eile dich und suche noch nach der Halskette!« Der Mekkapilger kam der Aufforderung wiederum nach und überreichte der jungen Frau diesmal den Halsschmuck.
    So hatte die junge Frau denn allen ihren Schmuck wiedererhalten, und der Mekkapilger hätte nun ohne weiteres mit der Frau des Muezzin Weiterreisen können. Nachdem beide sich aber noch ein wenig an Speise und Wein gestärkt hatten, sagte die Frau des Muezzin: »Höre, du freundlicher Mann! Vor einiger Zeit wurde im Hause meines Vaters ein Ring vermißt. Es scheint mir nun wohl möglich, daß mein Unterschied der Dieb auch dieses Gegenstandes ist. Ich wäre dir also sehr dankbar, wenn du ganz hinten einmal danach suchen wolltest!« Der Mekkapilger, dem der Wein auch noch mehr Freude an der annehmlichen Tätigkeit erweckt hatte, sagte: »Gewiß, du freundliche Herrin eines räuberischen Unterschiedes! Dieses soll sogleich geschehen!«
    Der Mekkapilger begann die Untersuchung also zum vierten Male, und zwar betrieb er sie nunmehr so weitgehend und energisch, daß zum Abschluß die Frau des Muezzin einen Wind streichen lassen mußte. Der Mekkapilger, der sowieso an der Grenze aller Kräfte angekommen war, sagte also: »Hörst du? Eben hat dein Unterschied laut geschworen, daß er nun kein gestohlenes Gold und keine gestohlenen Steine mehr verborgen halte.« Damit erhob er sich. Die junge Frau richtete sich auch auf und sagte: »Ich habe es wohl gehört; außerdem spüre ich nun auch, daß die Widerstandskraft meines Unterschiedes gebrochen ist. Ich sage dir Dank!«
    Der Mekkapilger und die Frau ruhten sich noch ein wenig aus, und dann machten sich beide auf den Weg und kamen zur guten Zeit wieder in der Stadt an, in der der Mekkapilger sogleich seine Frau, seine Begleiterin aber ihren Mann, den Muezzin, aufsuchte.
    Der Muezzin empfing seine Frau aufs freudigste, und da er nun schon längere Zeit ein sehr zurückgezogenes Leben geführt hatte, so war er doppelt zudringlich in seinen Freudenbezeugungen. Seine Frau wehrte ihn aber ab und sagte: »Unterwegs ist mir eine schlimme Sache widerfahren, an der du schuld bist. Du weißt, daß die Unterschiede der Frauen sehr diebisch sind. Du weißt, daß sie eigentlich nur die Männer bestehlen. Da du mich nun aber solange allein bei meinen Eltern gelassen hast und ihm

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