Das scharze Decameron
beiden Tauben ins Gesicht fliegen. Da meinte er, wo noch Tauben darin wären, könne sich nicht erst vor kurzem ein Mensch versteckt haben! So ließ er den Deckel wieder fallen. Dieser Mann ist wirklich zu dumm!«
Der Kaffeewirt sagte bei sich: »Warte, mein Bursche! Ich will dich bei deiner Schwatzhaftigkeit packen und der eigene Vater deiner Geliebten soll dich als Richter verurteilen. Warte!« Der Kaffeewirt sagte zu dem Burschen: »Da wir nun Freunde sind, will ich dich auch in der Familie meines Schwiegervaters einführen. Ich bin dort heute zum Abendessen eingeladen. Meine Frau wirst du dort auch kennen lernen, denn sie geht schon über Mittag hin, weil die jüngste Frau meines Schwiegervaters unpäßlich ist und meine Frau das kleine Kind dort warten wird. Also, mein Freund, komm mit mir und iß dort mit mir zusammen.« Der Bursche sagte: »Das will ich sehr gerne tun.«
Der Kaffeewirt machte sich mit dem Burschen auf den Weg zum Schwiegervater, dem Agellid. Der Kaffeewirt brachte den Burschen in die linke von drei Kammern, die nebeneinander lagen und nur durch dünne Wände voneinander getrennt waren. In der mittleren Kammer befand sich die kluge Tochter des Agellid und wartete da das Kind der jüngsten Frau ihres Vaters. Nachdem der Kaffeewirt den Burschen in der linken Kammer untergebracht hatte, ging er hinüber zu der rechten, in der sich der Agellid befand.
Der Kaffeewirt begrüßte den Agellid und sagte dann zu ihm: »Ich habe dir heute einen Mann mitgebracht, der im ganzen Lande die jungen Frauen verführt und deshalb nach unserem Gesetz getötet werden muß.« Der Agellid sagte: »Es muß aber, um ihn zu töten, nach unserem Gesetz ein Mann da sein, der ihn des Ehebruchs wegen hier bei mir anklagt, und dann muß ein vollkommener Beweis dafür erbracht werden, daß der Ehebruch verübt wurde. Wie steht das?« Der Kaffeewirt sagte: »Den Beweis für den Ehebruch wird dir der Bursche selbst erbringen. Denn er erzählt alles ganz genau und prahlt mit seinen Erfolgen.« Der Agellid sagte: »Das genügt. Wer übernimmt nun die Anklage?« Der Kaffeewirt sagte: »Die Anklage übernehme ich.« Der Agellid sagte: »Tue dies nicht. Laß die Sache der anderen Leute. Denn es ist doch nicht deine Sache?« Der Kaffeewirt sagte: »Nein, nein, nein, es ist nicht meine Sache.« Der Agellid sagte: »Dann laß die Sachen. Denn wenn du den Beweis nicht voll erbringen kannst, muß ich dich nach den Gesetzen unseres Landes als Verleumder anklagen und bestrafen. Und du weißt, hieraufhin wird ebenso der Tod verhängt wie für Ehebruch.« Der Kaffeewirt sagte: »Das ist mir gleich. Ich klage den Burschen an.« Der Agellid sagte: »Wenn du darauf bestehst, muß ich es übernehmen. Die Folgen wirst du tragen.«
Der Agellid ging mit dem Kaffeewirt hinüber aus der linken Kammer, an der mittleren vorüber zu der rechten Kammer. Die kluge Tochter des Agellid blieb in der mittleren Kammer, in der sie alles hören konnte. Der Kaffeewirt begleitete den Agellid hinüber und sagte zu ihm: »Das ist der Bursche, der so schöne Geschichten zu erzählen weiß. Erzähle uns etwas, mein Freund!« Der Bursche sagte: »Ich weiß keine Geschichte zu erzählen.« Der Kaffeewirt sagte: »So erzähle doch das, was du mir in den letzten Tagen von deinen nächtlichen Abenteuern erzählt hast.« Der Bursche sagte: »Das wird dem Agellid ganz gleichgültig sein.« Der Agellid sagte: »Nein, es ist mir nicht ganz gleichgültig. Erzähle es nur!«
Der Bursche sagte: »Neulich sagte mir ein Mann, es sei eine sehr schöne und kluge Frau hier im Orte. Die sei an einen Mann verheiratet, der immer den einzigen Schlüssel zum Haus seiner Frau bei sich trage, so daß niemand anders zu ihr käme. Da drückte ich den Wachs in das Schlüsselloch und ließ den Mann selbst dadurch, daß er den Schlüssel hineinsteckte und den Abdruck hierauf wegwarf, mir das Modell des Schlüssels anfertigen. Ich ging hinein, schlief bei seiner Frau und ließ mich endlich von ihr in eine Matte wickeln und an die Wand rollen. So schlief ich die Nacht in der Kammer, auch als der Mann kam. In der folgenden Nacht zerhackte der Mann die Matte; ich lag aber in der Truhe. In der dritten Nacht setzte ich mich, als der Mann dazukam, in den Taubennistkasten und hielt in jeder Hand eine Taube. Als der Mann den Deckel öffnete, ließ ich die Tauben gegen sein Gesicht fliegen. Der Mann ließ, als er mich so beinahe ergriffen hatte, den Deckel über mir fallen.«
In der mittleren Kammer
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