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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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jüngste Sohn sagte zu seinem Vater: »Mein Vater, ich kann dich nicht bitten, morgen bei mir zu essen.«
    Der Jüngste kam spät in der Nacht heim. Er setzte sich auf sein Angareb und seufzte. Er seufzte und war betrübt. Im Raum nebenan lag das Girdaweibchen auf seinem Angareb. Das Girdaweibchen hörte seinen Mann seufzen und stöhnen und kam herüber zu ihm. Das Girdaweibchen setzte sich neben den jungen Mann auf das Angareb und sagte: »Sage mir, was dich bedrückt, vielleicht ist die Sache auszugleichen.« Der Jüngste sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, daß du dich um meinen Kummer bemühst. Es ist aber nicht mehr möglich, mir zu helfen, denn ebenso wie dir ein Girdamännchen lieber wäre als ein Mensch, und wenn er auch der Sohn des Emir ist, so würde jedes Mädchen und jede Frau mir meine Angelegenheiten besser ordnen können als du, wenn sie auch nicht ein so freundliches Mitgefühl hat.« Das Girdaweibchen sagte: »Höre, du bist der Sohn eines Emir, aber du bist nur ein Mensch und kannst nicht wissen, was ein Girdamädchen ist, was es empfindet und was es kann. Sage mir also deinen Kummer!« Der Jüngste sagte: »Gutes Girdamädchen, ich habe am gleichen Tage dich gewonnen, an dem meine älteren Brüder ihre Frauen erwählten. Die Frauen haben nun ihren Männern die Häuser eingerichtet und wohnlich gemacht. Vorgestern hat mein Vater bei meinem ältesten Bruder, gestern bei meinem zweiten Bruder gegessen, und er hat alles sehr schön und reich und wohnlich gefunden, weil die Frauen alles gut und reich hergerichtet haben. Morgen müßte mein Vater nun bei mir essen. Wie soll ich ihm auf diesem Erdboden zwischen diesen Lehmwänden ein Essen vorsetzen?« Das Girdaweibchen sagte: »Ist das denn alles?« Der Jüngste sagte: »Es ist genug, um mich traurig zu machen.«
    Das Girdaweibchen sagte: »Das ist sehr einfach! Sattle schnell dein Pferd und bringe mich heute nacht noch zurück in die Wüste. Dann stört dich das häßliche Girdaweibchen nicht mehr. In der Wüste ist aber eine Stadt, in der schöne, reiche Frauen sind. Ich weise dir den Weg. Du gewinnst eine von den schönen Frauen. Sie kommt mit allem ihren Besitz, und bis morgen abend kann sie dir dein Haus hergerichtet haben. Glaube mir, das ist keine schwierige Sache.« Der Jüngste sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, sage mir aber doch, was aus dir werden würde?« Das Girdaweibchen sagte: »Ich würde sterben.« Der junge Mann sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, du sollst nicht sterben. Ich habe dich durch meinen Lanzenwurf gewonnen. Nun sollst du nicht sterben durch mich. Geh nur auf dein Angareb und schlafe. Ich kann auch so leben und brauche den Besuch meines Vaters nicht. Ich danke dir aber dafür, daß du hierher gekommen bist, um mich nach meinem Kummer zu fragen. Mein Kummer ist nun zerflossen.«
    Das Girdaweibchen sagte: »Du willst mich also nicht in die Wüste zurücktragen, um eine schöne, junge Frau zu gewinnen?« Der junge Mann lachte und sagte: »Nein, das will ich nicht. Du bleibst als mein gutes Girdamädchen in meinem Hause.«
    Das Girdamädchen sagte: »Dann will ich dir eine andere Angelegenheit sagen. Hast du schon einen Girda gesehen, der sprechen kann?« Der junge Mann sagte: »Nein, ich habe das noch nicht gesehen!« Das Girdaweibchen sagte: »Wenn du dieses Ungewöhnliche selbst siehst, dann wirst du mir auch anderes Ungewöhnliche glauben?« Der junge Mann sagte: »Gewiß glaube ich dir!« Das Girdaweibchen sagte: »Dann geh morgen mittag zu deinem Vater, dem Emir, und bitte ihn, zu dir zu kommen, um mit dir zu speisen. Dein Vater wird alles ebenso gut finden, wie bei deinen Brüdern.« Der junge Mann sagte: »Ich werde es tun.« Das Girdaweibchen erhob sich und ging in ihr Zimmer, um auf ihrem Angareb zu schlafen.
    Der junge Mann blieb auf seinem Lager sitzen. Er sagte: »Diese Sache mit meinem Girdamädchen ist anders als irgend etwas, was ich vorher gehört habe.« Nach einiger Zeit ging der junge Mann leise in den andern Raum, um das merkwürdige Girdamädchen noch einmal zu sehen. Er trat an ihr Angareb.
    Ein wenig vom Licht des Mondes schlüpfte durch eine Ritze in der alten Mauer herein und beleuchtete das Girdamädchen, das vom Licht abgewendet auf dem Angareb schlief. Der junge Mann betrachtete das Girdamädchen und sah, daß aus einem Riß des Affenfelles lange Haare herausgefallen waren, die waren weich wie Seide, und goldene Fäden waren hineingeflochten. Der junge Mann betrachtete das Haar.

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