Das scharze Decameron
Rechten und er blickte zur Linken, aber er sah nirgends, was er suchte. Der Jüngste sagte: »Mein Vater hat recht gehabt. Ich habe leichtsinnig gespielt. Ich sehe, daß meine Lanze allein nicht so weit geflogen sein kann. Ich werde eine Angelegenheit finden und werde sie zu bestehen haben. Aber da ich einmal auf dem Wege bin, will ich mich keinem Ereignis entziehen, das auf mich wartet.«
Der Jüngste ritt noch ein wenig weiter. Dann sah er einen einsamen Baum aus der Wüste aufragen und in seinem Stamm seine Lanze stark eingerammt. Der Jüngste ritt heran und blickte zu dem Baum hinauf. In der Mitte desselben saß zusammengekauert ein junges Girdaweibchen (Girda ist eine Affenart). Der Jüngste sah das Girdaweibchen. Der Jüngste sagte: »Du bist also meine selbstgewählte Gattin?« Das Girdaweibchen sagte: »So ist es.« Der Jüngste sagte: »Nun, du kannst wenigstens sprechen. Wenn du mir also auch keine wertvollen Teppiche und kein weiches Angareb und Öl und schmackhafte Speisen mit ins Haus bringen wirst, so kannst du doch wenigstens sprechen.«
Das Girdaweibchen sagte: »Das kann ich. Vergiß aber nicht, daß du mich durch den Lanzenwurf selbst zur Gattin gewählt hast.« Der Jüngste sagte: »Nein, das werde ich nicht vergessen können. Aber mein Vater wird nicht hier herauskommen wollen, um die Sache mit deinen Eltern in Ordnung zu bringen. Komm also gleich mit auf mein Pferd, damit ich dich in mein Haus nehme.«
Der Jüngste riß den Speer aus dem Stamm des Baumes. Er hielt dem Girdaweibchen den Arm hin. Das Girdaweibchen erfaßte ihn und ließ sich auf das Pferd hinab. Dann ritt der Jüngste mit seinem Girdaweibchen nach Hause.
In seinem Hause zeigte er dem Girdaweibchen das Angareb. Das Girdaweibchen legte sich hin und schlief ein. Der Jüngste ging zu seinem Vater und sagte: »Mein Vater, du hast recht gehabt. Ich habe den Speer in die Wüste geworfen, und als ich ihm nachritt, fand ich ihn vor dem Hause eines Girdaweibchens im Sande.« Der Vater sagte: »Was hast du getan?« Der Jüngste sagte: »Ich habe das Girdaweibchen mitgebracht.« Der Emir sagte: »Du hast das selbst zu ordnen.« Der Jüngste sagte: »Ich muß mein Haus nun bewohnen, wie es meine Frau herrichtet. Ich habe dem Girdaweibchen ein Angareb gegeben, es wird Essen und Trank erhalten. Das ist alles, was ich tun kann.«
Die beiden ältesten Söhne des Emir heirateten. Ihre Frauen richteten ihnen die Häuser ein. Es waren Teppiche und Polster und allerhand Geräte da. Der Emir sagte eines Tages zu seinem ältesten Sohne: »Mein Sohn, ich werde dich morgen einmal besuchen und werde bei dir essen. Denn ich möchte sehen, wie du nun lebst, nachdem du verheiratet bist.« Der älteste Sohn eilte zu seiner Frau und sagte: »Morgen wird mein Vater zu uns kommen und bei uns essen. Sorge, daß es ihm gefällt!«
Am andern Tag kam der Vater und wurde von seinem Sohne empfangen. Der Sohn führte den Vater herein und lud ihn ein, auf den Kissen und Teppichen Platz zu nehmen. Es kamen wohlgekleidete Sklaven und reichten duftenden Sorbet, und nachher brachten sie auf einer schönen Sinia viele verschiedene Gerichte. Der Vater sah um sich und erhob sich erst spät. Er sagte zu seinem Sohne: »Ich sehe, mein Ältester, daß du gut verheiratet bist und daß deine Frau für dich und alle deine häuslichen Angelegenheiten vorzüglich sorgt.«
Am Tage darauf besuchte der Vater in der gleichen Weise seinen zweiten Sohn, nachdem er ihm vorher sein Kommen angekündigt hatte. Der Emir fand hier ebenso reiche Herrichtungen und gute, geordnete Bewirtung. Er wünschte auch ihm zu seinem häuslichen Leben viel Glück.
Der jüngste Sohn des Emir hatte am Nachmittag zu Pferd sein Haus verlassen und war in die Umgebung geritten, denn seit das Girdaweibchen in seinem Hause weilte, fühlte er sich in den Lehmmauern nicht mehr wohl, und wenn er sie vorher nie häßlich gefunden hatte, so schienen sie ihm jetzt, wo das Girdaweibchen bei ihm war, und wo er seine Wohnung mit der schönen Zurichtung seiner glücklich verheirateten Brüder verglich, unerträglich. Der jüngste Sohn kam nun nach Hause und traf auf dem Wege seinen Vater, der bei seinem zweiten Sohne gegessen hatte. Der Jüngste begrüßte den Emir. Der Emir sagte: »Wie geht es dir, mein Jüngster? Ich habe gestern bei meinem ältesten Sohne gegessen und heute bei meinem zweiten. Ich habe es bei beiden ausgezeichnet gefunden. Sie führen beide ein glückliches Leben, seit sie verheiratet sind.« Der
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