Das scharze Decameron
klugen Mann zu ehelichen.
Das Girdamädchen
Kordofan
Ein Emir hatte drei Söhne, die wuchsen langsam heran. Als diese Söhne große Burschen geworden waren, sagte der Vater eines Tages zu ihnen: »Nehmt eure Lanzen und reitet mit mir hinaus aus dem Dorfe!« Die Söhne gingen und holten ihre Waffen, bestiegen ihre Pferde und ritten mit dem Vater hinaus in die Steppe. Der Vater sagte: »Nun, meine Söhne, möchte ich sehen, ob ihr geschickt genug in der Handhabung der Waffen seid, um eine Frau damit verteidigen zu können. Seht dort draußen die Gazellen. Jagt sie mit Lanzen. Ich werde sehen, wie ihr eure Sache handhabt.«
Darauf ritten die drei Söhne schnell von dannen, und der Vater folgte ihnen langsam in einiger Entfernung. Die drei Söhne warfen ihre Speere nach den Böcken und trieben die Rudel bald nach der einen, bald nach der andern Seite. Der Vater sah aus der Entfernung, wie geschickt sie ihre Lanzen den Tieren einsetzten, und als sie nach einigen Stunden zurückkamen, hatte jeder drei Antilopen erlegt. Der Vater sagte: »Kommt nun wieder mit mir zurück in unsern Ort. Wir wollen heimkehren. Wenn wir nun durch das Dorf reiten, könnt ihr ein jeder vor dem Hause, in dem das Mädchen wohnt, das er heiraten möchte, die Lanzen in die Erde stoßen, und ich werde nachher die Eltern der Mädchen aufsuchen und die Sache mit ihnen in Ordnung bringen.«
Der Vater ritt mit den Söhnen durch den Ort. Als sie an dem Hause eines sehr angesehenen Mannes vorbeikamen, der eine schöne Tochter hatte, die alle jungen Leute des Dorfes begehrten, stieß der älteste Sohn seinen Speer in die Erde. Der Emir sagte: »Es ist recht. Ich werde es nachher ausmachen.« Als sie an dem Gehöft eines andern angesehenen Mannes vorbeikamen, der auch eine viel begehrte Tochter hatte, stieß der zweite Sohn seine Lanze in die Erde, und der Emir nickte wieder und sagte: »Es ist mir recht, auch das soll nachher in Ordnung gebracht werden.«
Dann ritten sie weiter und durch das ganze Dorf. Der jüngste Sohn sprang mit seinem Pferde spielend hierhin und dorthin. Er wirbelte seine Lanze in der Luft zwischen den Fingern, aber er machte keine Anstalten, vor irgendeinem Gehöft seine Waffe in die Erde zu stoßen. So kamen sie bis an das Ende des Ortes. Der Vater sagte: »Was willst du nun, mein Sohn? Willst du denn keine Frau heiraten?« Der jüngste Sohn lachte und sagte: »Sicherlich will ich eine Frau heiraten. Die Mädchen dieses Ortes sind aber alle nicht schön genug. Die Wüste soll mir ihr schönstes Mädchen geben!« Der Jüngste lachte und stieß sein Pferd in die Weichen, so daß es hoch aufstieg. Er warf seine Lanze, so daß sie mit dem Winde weit hinaus in die Wüste flog.
Der Emir schüttelte aber seinen Kopf und sagte: »Mein Sohn, du bist jung, sonst würdest du nicht so mit deiner Waffe und mit uns spielen. Wie soll ich nun da hinausreiten und die Sache mit einer Frau, deren Namen und Familie ich nicht kenne, in Ordnung bringen? Reite also selbst, mein Sohn, deinem Speere nach und bringe selbst die Sache mit deiner Frau in Ordnung. Ich kann hierin nichts weiter tun.« Der Emir wandte sein Pferd um und ritt mit seinen beiden ältesten Söhnen wieder durch den Ort seiner Seriba zu.
Der jüngste Sohn blieb auf der Stelle und sah in die Wüste. Er schämte sich sehr, denn er sah, daß sein Vater gekränkt war und daß er die Schuld daran hatte. Der junge Mann war sehr schön, und alle Frauen und Mädchen liebten ihn sehr. Er selbst hatte aber noch keine Neigung gefaßt, und so hatte er nicht gewußt, was er sonst mit seiner Lanze hätte machen sollen, als sie hinaus in die Wüste zu werfen. Nun trieb er sein Pferd an und ritt in der Richtung, in die er die Lanze geworfen hatte, in die Wüste hinaus.
Der Jüngste ritt durch die Wüste und blickte aufmerksam nach allen Seiten, um seine Lanze wieder zu finden. Er ritt eine Stunde weit und sah seine Lanze nicht. Der Jüngste sagte: »Meine Lanze war mein bester Freund, seit ich ein Bube war, sie kann mir nicht fortgelaufen sein wie ein widerspenstiger Sklave.« Der Jüngste ritt weiter und weiter und immer in der Richtung, in die er seine Lanze geworfen hatte. Er folgte der Richtung und blickte emsig rechts und links und sagte: »Meine Lanze ist nicht dumm wie eine Hüttenstange. Sie weiß, daß ich sie suchen muß, wie die Mutter ihr Kind. Was hat meine Lanze getan?«
Der Jüngste ritt weiter und weiter und achtete auf die Richtung, in der er sie geworfen hatte. Er blickte zur
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