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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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je einem Menschen weh getan? Wenn ja, dann nur unabsichtlich.
Wenn man ein allegorisches Bild der Unschuld zeichnen soll,
wärest du die beste Vorlage. »Sie belästigen mich
nicht.«
    »Ich dachte, ich lasse Ihnen das Buch hier. Wenn Sie
irgendwann etwas Zeit finden sollten… wenn nicht, ist es
auch gut. Ich… ich mache mich dann mal wieder auf den
Weg.« Er stellte den Kaffee ab, ohne davon getrunken zu
haben.
    »Nichts da! Ich habe jetzt Zeit, und wir werden zusammen
schauen, ob wir etwas herausfinden.«
    Arved sah sie dankbar an. Die Blässe verschwand
allmählich aus seinem Gesicht.
    Sie nahm das Buch und schlug es auf. »Wie ich gestern
schon gesagt habe, weiß ich auch nicht, wer dieser Thomas
Carnacki sein soll«, sagte sie. »Erzählen Sie
mir von den Geschichten.«
    Arved gab eine kurze Zusammenfassung. Als er einmal in Fahrt
gekommen war, redete er wie ein Wasserfall. Am Ende sah Lioba ihn
erstaunt an.
    »Das ist alles?«, fragte sie.
    »Ja. Warum?«
    »Für mich klingt das ziemlich abstrus und
unangenehm. Wollen Sie etwa noch mehr solches Zeug lesen? In
diesem Fall sollten Sie sich vielleicht bei Clive Barker, Stephen
King oder John Saul bedienen.«
    »Ich kann selbst nicht genau erklären, was mich an
diesen Geschichten so fasziniert, wenn man von den wunderbaren
Bibliotheksschilderungen der ersten Novelle absieht, die ich
Ihnen auch ans Herz legen möchte, denn schließlich
geht es darin ja um jemanden wie Sie.«
    »Wie unangenehm«, meinte Lioba.
    »Möchten Sie das Buch lesen?«, fragte Arved
hoffnungsfroh.
    Lioba schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass
ich es so spannend finde wie Sie. Aber wir werden uns jetzt um
den Autor kümmern, damit Sie wieder in Ruhe schlafen
können.«
    Arved lächelte sie wie ein dankbarer Junge an. In diesem
Augenblick hätte sie ihm am liebsten den Kopf gestreichelt.
Doch stattdessen ging sie in ihr Arbeitszimmer. »Kommen Sie
mit«, rief sie ihm über die Schulter zu.
    Arved war noch nie in diesem Raum gewesen. Was er sah, schien
tiefen Eindruck auf ihn zu machen. Auch hier stapelten sich die
Bücher, allerdings nicht so säuberlich aufgereiht wie
im Wohnzimmer, das Lioba auch als Empfangsraum für Kunden
diente. Im Arbeitszimmer war jeder freie Platz mit Büchern
zugepflastert. Auch am Boden lagen sie und ließen nur einen
schmalen Gang zum Schreibtisch unter dem kleinen Sprossenfenster,
das in den Hof hinausschaute. Die Bücher in diesem Zimmer
waren beinahe ausschließlich neueren Datums. Sie waren die
Quellen, aus denen Lioba ihre Informationen über die alten
Drucke schöpfte: Bibliographien, Gesamtdarstellungen der
okkulten Wissenschaften, des Hexenwesens, des Vampirismus, des
Gespensterglaubens und aller anderen möglichen und
unmöglichen Verirrungen, zu denen sich der menschliche Geist
durch die Jahrhunderte verstiegen hatte. Dazu kamen
Allgemeinbibliographien zu alten Büchern sowie zur Literatur
und Kunst.
    Lioba wühlte sich ein und hatte Arved bald vergessen.
»Carnacki«, murmelte sie bei ihrer Suche. »Wie
mag man das aussprechen? Karnacki? Zarnacki? Zarnatzki?
Wahrscheinlich das Letztere, bestimmt ist der Name polnischen
Ursprungs. Na egal, Hauptsache, ich weiß, wie’s
geschrieben wird.«
    Arved wartete knapp hinter der offen stehenden Tür. Eine
Möglichkeit, Platz zu nehmen, gab es hier nicht –
selbst auf dem unbequem wirkenden Holzstuhl vor dem Schreibtisch
lag ein Bücherstapel.
    Lioba durchblätterte eine Bibliographie nach der
nächsten, ein Lexikon nach dem anderen, und etwa eine Stunde
später bemerkte sie, dass Arved noch immer beim Eingang
stand. »Kein Glück«, gab sie bekannt. »Wie
ich befürchtet hatte. Nirgendwo ist ein Thomas Carnacki als
Autor verzeichnet. Jetzt bleibt uns nur das Internet.«
    Sie nahm den Bücherstapel von ihrem Stuhl, setzte sich,
schob auf dem Schreibtisch einen weiteren Stapel beiseite, und
ein Bildschirm sowie eine Tastatur kamen zum Vorschein.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie so etwas noch
immer nicht besitzen?«, fragte sie über die Schulter.
Das Schweigen vom anderen Ende des Raumes gab ihr Recht. Sie
konnte sich Arved auch besser an einem Schreibpult und mit einem
Gänsekiel in der Hand als hinter einem Computer
vorstellen.
    Sie schaltete den Rechner ein, startete den Browser, und
fiepend und blökend wählte sich die Maschine in die
Wunderwelt des World Wide Web, ohne das man auch als Antiquarin
nicht mehr auskam. Bei

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