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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Wohnung lebt.«
    »Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich«,
meinte Lioba und nahm einen kräftigen Schluck. »Die
Riverisstraße ist die Adresse für die, die ganz unten
angekommen sind. Es ist unsere einzige Spur. Wenn wir ihr nicht
folgen, ist die Suche an dieser Stelle für uns zu
Ende.«
    »Verzeihen Sie meine Frage, aber warum sind Sie
inzwischen so sehr an Carnacki interessiert?«, wollte Arved
wissen und nippte an seinem Orangensaft.
    Gute Frage, dachte Lioba. Warum sucht man etwas? Weil man das
Interesse auf etwas richten will, das außerhalb des eigenen
Umfeldes liegt. Weil man ausbrechen will. Weil sie nicht immer
nur mit diesen verqueren Sammlern von toten Büchern zu tun
haben wollte.
    Und weil ich dich mag, du verquerer Kerl!
    Sie sagte: »Im Zusammenhang mit dieser Suche habe ich
bereits zwei gute Geschäfte gemacht. Wer weiß, was da
noch auf mich wartet? Außerdem habe ich im Augenblick nicht
viel zu tun. Ich sitze nicht gern zu Hause herum und
versauere.«
    »Aber Sie haben doch bestimmt viele Freunde?«,
fragte Arved leise und hielt sich an seinem Glas fest.
    »Längst nicht so viele, wie Sie vielleicht
glauben«, antwortete Lioba offen.
    Arved schwieg darauf. Er kaute auf seiner Unterlippe, und
Lioba tat es bereits Leid, ehrlich gewesen zu sein. Ihr
Privatleben ging nur sie allein etwas an. Sie schaute Arved an,
er sah weg. Zum Glück kam das Essen. Sie hatten beide
Wildragout bestellt, mit selbst gemachtem Apfelmus, mit
Preiselbeeren und Kroketten. Lioba lobte das zarte, ausgezeichnet
gewürzte Fleisch.
    Arved nickte nur. Schließlich sagte er: »Glauben
Sie das, was der Drucker uns erzählt hat?«
    Lioba wischte sich mit der Serviette über den Mund.
»Sie meinen die Geschichte mit dem Schattenmann und den
brennenden Fußstapfen?«
    Arved nickte und kaute auf dem letzten Bissen herum.
    »Ich vermute, er war wirklich eingeschlafen und konnte
Traum und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten.
Es…«
    Arved zuckte zusammen, verschluckte sich, hustete, riss die
Augen auf. Lioba erschrak und sah ihn verdutzt an. »Was ist
mit Ihnen?« Sie folgte seinem Blick, der sich auf den Tisch
neben der Tür zu richten schien. Dort saß ein
älterer Mann und war in ein Buch vertieft. Lioba konnte
nichts Außergewöhnliches an ihm erkennen.
    Arved schloss die Augen und holte tief Luft.
»Ich… nichts. Ich hatte nur für eine Sekunde
geglaubt, da drüben säße…
wäre… Pyrmont. Ich sehe Gespenster.« Er
versuchte sich an einem Lächeln; es sah aus, als würde
er gewürgt. »Irgendwie greift diese Suche meine Nerven
an.«
    »Wir können sie abblasen«, schlug Lioba vor
und stellte fest, dass ihr das gar nicht mehr so recht
wäre.
    »Nein.« Arved klang fest und entschlossen.
»Wir haben es angefangen, und wir werden es beenden. Wenn
Sie nicht mehr mitmachen wollen, kann ich das sehr gut verstehen.
Ich bin Ihnen nicht böse, wenn Sie aussteigen.«
    Nachdem die Kellnerin die Teller abgeräumt und den Mokka
gebracht hatte, meinte Lioba: »Das kommt gar nicht in
Frage. Erst machen Sie mich heiß, dann stoßen wir auf
ein interessantes Rätsel, und ich konnte sogar einen
wunderbaren Ankauf tätigen, auch wenn er nicht in mein
Spezialgebiet fällt, und jetzt soll ich mich
zurückziehen? Für wen halten Sie mich?«
    Arved hatte geantwortet, bevor er überhaupt begriffen
hatte, was er da sagte: »Für eine charakterstarke,
faszinierende Frau.«
    Die Röte auf seinen Wangen belustigte Lioba. »Na,
na, Sie wissen nicht, wie ekelhaft ich sein kann.« Sie
holte aus ihrer Handtasche einen Zigarillo hervor und
zündete ihn rasch an. Sie saugte daran, als sei er ein
Strohhalm, durch den man die Lebensessenz in sich aufnehmen
kann.
    »Vielleicht möchte ich es gern wissen«, sagte
Arved leise und stützte den Kopf in beide Hände.
    Nun war es an Lioba, unsicher zu werden. Sie hätte es
diesem linkischen Ex-Priester nie zugetraut, so etwas zu sagen.
Dieses Gespräch ging eindeutig in die falsche Richtung. Sie
blies eine Rauchwolke zur hohen Decke, lauschte den
Geräuschen des Restaurants – Gesprächsfetzen,
Klirren von Besteck und Porzellan – und wünschte sich
ein paar hundert Meter weit weg. Zwischen ihren Büchern war
sie ein anderer Mensch. Sie kippte den Mokka in einem Zug
hinunter. »Unwissenheit ist immer ein beneidenswerter
Zustand.« Sie zwinkerte Arved zu und drehte sich um.
»Zahlen!«, rief sie der Kellnerin zu, die gerade mit
einem Tablett

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