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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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gleichzeitig mit der anderen Hand den
Spion zu.
    Dann öffnete sich die Tür.
    Lioba wollte ihren Augen nicht trauen. Nach der ersten
Schrecksekunde wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Sie hätte Arved folgen und das Weite suchen sollen. Doch
dafür war es jetzt zu spät.
    Der Mann hinter der Tür sah sie an, verständnislos
zuerst, dann legte sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht.
    »Lioba«, sagte er lang gezogen. »Ich habe
immer gewusst, dass du zurückkommen wirst.«

 
8. Kapitel
     
     
    »Sie kennen sich?«, fragte Arved erstaunt und
blickte vom einen zum anderen. »Lioba, haben Sie die ganze
Zeit gewusst, wer Thomas Carnacki ist?«
    Das Grinsen auf dem Gesicht des Mannes verschwand. Er sah
Lioba fragend an. »Thomas… wer?«
    Die Verwirrung war perfekt.
    »Du?«, wunderte sich Lioba. »Wie kommst du
hierher?«
    »Hast du vergessen, was gewesen ist, mein
Schatz?«, fragte der Mann zurück.
    Arved betrachtete ihn genauer. Er war recht groß, sehr
schlank, beinahe dürr und hatte einen ungepflegten
Stoppelbart. Seine langen, strähnigen grauen Haare waren
ungewaschen, und sein Hemd und seine Hose sahen so ähnlich
aus wie Liobas Caritas-Kleider, nur dass sie offenbar viel zu
selten gewaschen wurden. Dieser Mann passte in die Umgebung des
schrecklichen Hauses wie eine Made in die
Fleischabfälle.
    »Darf ich vorstellen?«, sagte Lioba zu Arved
gewandt. »Manfred Schult. Manfred, das ist Arved
Winter.«
    Manfred Schult fand sein Grinsen wieder. Die grauen
Bartstoppeln tanzten auf seinem zerfurchten Gesicht. Er schien
etwas älter als Lioba zu sein. »Dein Neuer,
was?«, höhnte er und warf einen Blick auf die
Nachbartür. Sie öffnete sich einen Spalt breit. Der
Lärm dahinter war erstorben. Manfred Schult wurde
nervös und bat seinen unverhofften Besuch herein.
    Das Innere der Wohnung entsprach sowohl dem Äußeren
als auch ihrem Bewohner. In der Diele stand ein kleiner,
wackliger Tisch mit einem Telefon und einer leeren Schachtel
Zigaretten darauf. Im Wohnzimmer gab es eine Couch, deren
Füllung aus hervorquellenden, ungewaschenen
Kleidungsstücken zu bestehen schien. Der Geruch passte dazu.
An der anderen Wand stand ein Wohnzimmerschrank, der nur vom
Sperrmüll kommen konnte, und in ihm dudelte ein Fernseher.
Manfred Schult stellte ihn sofort ab, räumte ein paar Hemden
und Unterhosen fort und bedeutete Arved und Lioba, sich zu
setzen.
    Arved sah, dass die Antiquarin zögerte. Als sie sich
niederließ, tat er es auch. Er sah den Mann an, der wie ein
Greis wirkte. Ist das der Schriftsteller, den wir suchen?, dachte
er die ganze Zeit, während sich die drei nach der
anfänglichen Überraschung anschwiegen.
    Endlich durchbrach der Mann die Stille. »Was wollt
ihr?«
    »Seit wann wohnst du hier, Manfred?«, fragte Lioba
zurück.
    Manfred Schult sah nicht sie, sondern Arved an, dessen
verständnisloser Blick ihn zu amüsieren schien.
»Willst du ihm nicht erklären, wer ich bin?«,
sagte er zu Lioba, ohne den Blick von Arved abzuwenden.
    Lioba räusperte sich. Arved ertrug es nicht länger,
dem Grinsen ausgesetzt zu sein, und schaute zu Lioba, die neben
ihm saß. Sie sagte nur: »Manfred ist mein
Ex-Mann.«
    Was hatte er erwartet? Dass sie nie verheiratet gewesen war?
Eine Frau wie sie? Dass sie nie einen Freund, nie einen Liebhaber
gehabt hatte? Dass Arved der erste Mann in ihrem Leben war? Dabei
war er doch noch gar nicht in ihrem Leben. Er schlug die Beine
übereinander und versuchte lässig zu wirken.
»Aha. Verstehe.«
    »Gar nichts verstehen Sie«, warf Lioba ein.
    »Oh, ihr seid noch nicht beim Du gelandet?«,
wunderte sich Manfred Schult. »Damals ging das bei dir aber
schneller.
    Oder seid ihr euch erst vor ein paar Minuten über den Weg
gelaufen?«
    »Du hast kein Recht, so zu reden!«, brauste Lioba
auf und verkrampfte sich. Arved sah, wie sie die Fäuste
ballte und die Knöchel weiß unter dem Heisch
hervortraten.
    »Ach, nein? Hast du vergessen, was war? Was du getan
hast, bevor ich dich aus dem Sumpf geholt habe? Und wie du mir
das gedankt hast?«
    Arved wurde die ganze Sache immer unangenehmer. Da hatten sie
nach einem ominösen Schriftsteller gesucht und einen Mann
aus Liobas Vergangenheit gefunden. Aus einer Vergangenheit, die
offenbar alles andere als angenehm war.
    »Willst du die alten Geschichten wieder
aufwärmen?«, zischte Lioba ihn an.
    »Bist du nicht deshalb hergekommen?«, fragte
Manfred Schult zurück,

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