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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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des Schattenbuches zu
suchen und herauszufinden, was er überdies geschrieben
hatte? Wahrscheinlich war es sein einziges Buch, den
Auskünften des Druckers und Buchbinders nach nur in einem
einzigen Exemplar hergestellt. Warum? Und wie hatte dieses Buch
den Weg in die Kiste gefunden, die vor Liobas Tür gestanden
und mit der alles angefangen hatte? Fragen über Fragen, und
schon wieder war sie mittendrin im Geheimnis und seiner
Ausforschung. Wenn sie etwas über den rätselhaften
Wagen herausfand, in den Carnacki vor einigen Monaten
eingestiegen und danach nie wieder gesehen worden war, konnte sie
Arved wenigstens etwas Positives melden, worüber er
vielleicht Manfreds gehässige Worte vergaß. Aber wie
sollte sie das anstellen?
    Lioba stand auf und wischte Staub. Das tat sie immer, wenn sie
nicht weiter wusste. Sie arbeitete sich durch das ganze Haus,
durch ihr Arbeitszimmer, das aufzuräumen sie sich vornahm
– es würde wie immer bei der Absicht bleiben –,
durch das Schlafzimmer mit der fast mannshohen Figur der heiligen
Elisabeth und dem Betschemel mit dem verschlissenen Brokatbezug,
durch die Küche und das Wohnzimmer. Sie wischte die Vitrinen
trocken ab, schob in den Regalen die Bücher ein wenig nach
hinten, entfernte den Staub vor ihnen und holte sie wieder nach
vorn. Dabei stieß sie auf ein kleines, in gelben Karton
gebundenes Bändchen mit dem Titel Magie und Satanismus in
Eifel und Trierer Land. Sie erinnerte sich daran, welche
Rolle dieses Buch bei ihrem ersten Abenteuer mit Arved gespielt
hatte. Ein Schaudern lief ihr über den Rücken. Dann kam
ihr die rettende Idee.
    Der Autor war Achim Lang-Wege alias Jochen W. Martin, ein mit
ihr befreundeter Kölner Journalist. Er hatte ihnen im
letzten Jahr weitergeholfen, und vielleicht würde er es
wieder tun. Sie hatte sich lange nicht mehr bei ihm gemeldet, wie
sie mit einem kleinen Schuldgefühl feststellte. Ob er den
Halter eines Fahrzeugs ermitteln konnte? Sie holte ihr
Telefonverzeichnis und rief in der Redaktion des Kölner
Rundblicks an. Es dauerte eine Weile, bis sie Martin an der
Leitung hatte.
    Er freute sich, als er hörte, wer ihn sprechen wollte.
»Lioba, Mensch, das ist ja eine Überraschung. Wie geht
es dir?«
    Seine Stimme, voll, schmetternd, klar und fest, vertrieb
augenblicklich ihre dunkle Stimmung; Bilder aus fernen Tagen
kamen herbei, Bilder von durchzechten Nächten, tiefen
Gesprächen über Gott und die Welt, Kneipenlärm,
Musik, Unbeschwertheit. Lioba atmete auf. Sie erzählte von
ihren kleinen Erlebnissen, ohne das Schattenbuch zu
erwähnen. Martin plauderte von großen Stories, von
schriftstellerischen Erfolgen und Hoffnungen – er war
überdies Dichter, und zwar einer der besten
zeitgenössischen, wie die sehr kritische Lioba fand –
von seiner Familie und der dringenden Notwendigkeit, sich noch
einmal wiederzusehen. Schließlich erklärte ihm Lioba
ihr Anliegen.
    »So einfach ist das nicht«, meinte Jochen.
    »Für dich ist doch alles möglich«,
beharrte Lioba.
    »Für dich tu ich alles, das weißt
du.«
    »Darum habe ich dich ja angerufen.«
    »Wir sollten mal wieder zweckfrei miteinander
plaudern.«
    »Sobald ich den Halter dieses Autos habe.«
    »Geht es wieder um etwas Höllisches? Hast du dich
wieder in etwas verstrickt, so wie im letzten Jahr? Oder willst
du nur ein großes Geschäft machen? Oder…«
Pause. Dann: »Oder hast du dich verliebt?«
    Lioba wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
    »Ich deute dein Schweigen als Aufforderung, in dieser
Richtung nicht weiterzubohren«, sagte Jochen galant.
»Mal sehen, was ich tun kann. Es scheint ja sehr wichtig zu
sein. Ich melde mich, wenn ich etwas für dich habe.
Versprechen kann ich es aber nicht.« Im Hintergrund
hastete, lachte, redete, klapperte, rasselte, klingelte es
– eine wahre Kakophonie. Wie hielt Jochen das bloß
aus?
    Auf einen Schlag brach es ab. Es war wie der Hall des Nichts.
Jochen hatte aufgelegt, doch es war nicht das Nichts. Die Leitung
war tot. Dennoch war etwas in ihr. Etwas hauchte darin. Lioba
wollte schon auflegen, doch dann hörte sie wie aus weiter
Ferne ihren eigenen Namen.
    »Jochen? Bist du das noch? Lass den
Blödsinn.«
    Hatte sie wirklich ihren Namen gehört? Nun klang es wie
ein Atmen, das im Wind verwehte. Lioba legte auf. Und ging mit
zitternden Beinen zurück ins Wohnzimmer.
    Jochen W. Martins Anruf kam bereits zwanzig Minuten
später.
    »Es handelt sich um

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