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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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machte eine
Pause und schaute in seinen Milchkaffee. Er rang mit sich, ob er
etwas von der phantomhaften Gestalt in dem Spiegel sagen sollte.
Seit er Manfred Schult verlassen hatte, war ihm das
gespensterhafte Wesen nicht mehr begegnet. Er wusste selbst
nicht, ob da wirklich etwas gewesen war. Er schüttelte den
Kopf. Natürlich wusste er es. Da war nichts. Nichts als
Einbildung. Lioba würde ihn auslachen, wenn er es ihr
erzählte. Kurz schaute er sich in dem Café um.
Ältere Leute saßen hier, aber auch einige
Schüler, die vielleicht eine Freistunde auf diese Weise
verbrachten oder gleich die Schule schwänzten, eine Frau mit
einem unglaublich kleinen Kopf fütterte ihren Pekinesen, der
erbärmlich zitterte, mit Nusskuchen, ein älteres Paar
unterhielt sich angeregt, aber es war deutlich zu sehen, dass es
kein Ehepaar war, denn bei all ihren Bewegungen und Gesten war
eine unsichtbare Grenze zwischen ihnen, die keiner von beiden zu
überspringen wagte, obwohl sie es bestimmt gern getan
hätten. Arved fragte sich, was er und Lioba wohl für
ein Bild abgaben.
    »Sie haben also nichts entdeckt«, nahm Lioba den
Faden wieder auf. »Dann ist das der Endpunkt unserer Suche.
Näher werden wir an diesen Carnacki nicht herankommen. Es
bleibt uns nichts anderes übrig als aufzugeben.«
    Arved traute seinen Ohren nicht. Hatte Lioba das wirklich
gesagt? Sie, die so versessen auf diese Suche, auf diese
Nachforschungen gewesen war? Er blickte sie erstaunt an.
»Warum?«
    »Haben Sie einen Vorschlag, wie es weitergehen soll? Der
Spiegel war eine Sackgasse, wenn ich mich so ausdrücken
darf. Eine weitere Spur haben wir nicht mehr. Was wollen Sie denn
noch tun?«
    Sie hatte Recht. Die Kellnerin brachte den Kuchen. Arved nahm
ein Stück, schmeckte ihn kaum, so aufgeregt war er.
»Sie haben das Schattenbuch immer noch nicht gelesen. Das
sollten Sie tun; vielleicht kommt Ihnen dann noch eine
Idee.«
    Lioba warf die Gabel auf den Kuchenteller. Es klapperte so
laut, dass das ältere Nicht-Paar verärgert aufschaute
und der Pekinese kurz bellte. Die Jugendlichen im hinteren Teil
kicherten. »Das werde ich nicht tun!«, sagte sie
heftig.
    Arved begriff gar nichts mehr. »Was ist denn
plötzlich los?«, fragte er verwirrt.
    Lioba schien mit sich zu ringen, aber sie blieb stumm.
Schweigend aßen sie ihren Kuchen, jeder in seiner
Gedankenfestung eingekerkert. Arved wusste nicht, wie er mit dem
beginnen sollte, was ihm so im Herzen brannte. Und er wusste
nicht, wie er Liobas Weigerung verstehen sollte, weiter nach dem
seltsamen Schriftsteller zu suchen. Da fiel ihm ein, dass er
über seinen Gefühlsaufregungen das Auto mit dem
komischen Trierer Kennzeichen völlig vergessen hatte. Er
fragte Lioba danach.
    »Auch eine Sackgasse«, sagte sie rasch.
    »Haben Sie Nachforschungen angestellt?«
    »Ja. Erinnern Sie sich noch an Jochen W. Martin, den
Journalisten des Kölner Rundblicks?«
    Arved schob den Teller von sich und nickte. Er dachte daran,
was Schult über ihn gesagt hatte.
    »Von ihm habe ich – zugegeben unerlaubterweise
– den Halter des Wagens erfahren. Aber er konnte uns auch
nicht weiterhelfen.«
    »Sie waren bei ihm? Und das sagen Sie erst jetzt? Er
muss sich doch an Carnacki erinnern!« Arved wusste nicht,
ob er enttäuscht oder wütend sein sollte. »Wie
sah er aus?«
    Lioba schien seine erneut aufgeflammte Begeisterung zu
amüsieren. Sie lächelte ihn an, und sein Herz klopfte
schneller.
    »Er hatte angeblich graue Haare, roch schlecht und war
ein älterer Mann.«
    »Vampyr?«
    Lioba zuckte die Achseln. »Er trug keine Sonnenbrille
und hatte die Haare auch nicht zu einem Pferdeschwanz
zusammengebunden. Ansonsten hätte er es sein können.
Aber Abraham Sauers Beschreibung wird wohl auf einige Millionen
Menschen zutreffen.«
    »Was wollte Carnacki von diesem… Sauer
heißt er?«
    »Das ist nicht wichtig. Zumindest führt es uns
nicht weiter.«
    »Wollen Sie nicht offen zu mir sein, oder können
Sie es nicht?«, fragte Arved beleidigt.
    »Ich höre Missmut in Ihrer Stimme«, meinte
Lioba nachdenklich. »Sauer ist ein merkwürdiger
Mensch. Es war ihm nicht zu entlocken, ob er Carnackis
Aufenthaltsort kennt.«
    »Welche Beziehung besteht zwischen ihm und
Sauer?«, versuchte Arved es noch einmal.
    Lioba seufzte auf und kramte einen Zigarillo aus ihrer
Handtasche. Nachdem sie einige Züge gemacht hatte, sagte
sie: »Es ging nur um ein Buch. Sauer ist

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