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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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eigenes Antiquariat aufgemacht,
als Antiquar Kornmann seinen Laden schließen musste. Sie
hat eine Menge Bücher zu einem guten Preis kaufen und sich
damit einen Grundstock zulegen können. Das mit dem
Selbstmord ist jetzt fast sieben Jahre her. Zehn Jahre waren wir
glücklich verheiratet – zumindest hab ich es damals so
gesehen, trotz ihrer Eskapaden. War wohl ein Irrtum.« Er
bückte sich, nahm die Bierflasche vom Boden und trank sie in
einem Zug leer. Dann warf er sie achtlos hinter sich, wo sie mit
einem dumpfen Geräusch gegen einen offenbar weichen
Gegenstand traf. »Keine Ahnung, wie oft mich die Schlampe
in der Zeit betrogen hat. Da war noch so ein Journalist, mit dem
sie oft herumgehangen hat. Und wer weiß noch alle.
Will’s auch gar nicht wissen.«
    In Arveds Kopf schäumte es. Das war nicht die Lioba, die
er kannte. Das war keine Frau, die er lieben konnte. Doch er
liebte sie. Jetzt war es heraus! Zum ersten Mal hatte er es vor
sich selbst eingestanden. Und dann in Gegenwart dieses
Rüpels! Was immer zwischen Lioba und ihm vorgefallen war,
musste Schult selbst verantworten. Es musste seine Schuld gewesen
sein. »Und was ist danach mit Ihnen passiert? Sie waren
doch Beamter, oder?« Arved sah sich demonstrativ in dem
müllhaldenartigen Raum um.
    »Ha!«, krächzte Schult. »Wissen Sie
etwa, wie es ist, wenn man die Frau verliert, die man über
alles liebt? Wissen Sie, wie egal einem alles wird? Wie es ist,
wenn man morgens aufwacht und feststellt, dass sie nicht mehr da
ist, dass sie nie mehr da sein wird, alle Tage bis ans eigene
Ende? Ja, ich hab angefangen zu trinken. Das hätten Sie auch
getan. Das tut jeder. Und irgendwann verliert man seinen Job,
auch wenn man Beamter ist. War mir halt egal. War mir alles egal.
Erst sind es nur Strafversetzungen, aber wenn man da nicht
auftaucht, ist Schluss. Hab mich sogar umbringen wollen, wie ihr
Galan damals. Vielleicht hätte sie das aufgerüttelt.
Ich hab kein Geld mehr gehabt, hab die Miete nicht mehr zahlen
können und auf der Straße gesessen. Ein ganzes Jahr
lang. Zuerst bin ich um ihr Haus herumgeschlichen, das sie sich
bald mit dem Geld von ihren verqueren alten Büchern hat
kaufen können. Aber ich wollte sie nicht sehen. Verdammt,
ja, ich hab mich geschämt. Was glauben Sie, wie schlimm es
für mich war, als sie plötzlich mit Ihnen im Schlepptau
auftauchte? Wie peinlich! Und deshalb hab ich Sie angerufen.
Wollte ich einiges zurechtrücken. Eigentlich sind Sie ein
netter Kerl. Nehmen Sie sich vor Lioba Heiligmann in Acht. Einen
besseren Rat werden Sie in Ihrem ganzen Leben nicht mehr
kriegen.« Er sackte in sich zusammen.
    Arved glaubte schon, er sei eingeschlafen, doch er war wohl
nur erschöpft. Er tat Arved Leid. Was immer er getan haben
mochte, das hier hatte er wohl kaum verdient. Er spürte, wie
Liobas Bild in ihm in die Ferne rückte, wie sich seine
schüchterne Leidenschaft für sie schlagartig
abkühlte. Wie hatte sie zulassen können, dass so etwas
passierte? »Haben Sie nun wieder Arbeit?«, fragte
Arved vorsichtig.
    »Arbeit?« Schult richtete sich auf und sah ihn
verständnislos an. »Glauben Sie, ich wäre hier,
wenn ich Arbeit hätte? Ich bin schon heilfroh, dass man mir
diese Wohnung verschafft hat und ich nicht mehr auf der
Straße schlafen muss. Aber ich werde aufhören mit dem
Alkohol und dann werde ich auch wieder arbeiten. Dazu brauche ich
Lioba nicht!«
    Arved dachte an sein ererbtes Geld. Manfred Schult war ihm
zwar zuwider, aber durfte er es zulassen, dass dieser Mann in
solchem Elend lebte? »Kann ich Ihnen helfen?«, wagte
er zu sagen.
    »Sie bestimmt nicht. Und auch sonst keiner. Ich brauche
niemanden. Jeder, der mir helfen will, kriegt eins in die
Fresse!«
    Damit war die Frage einer Spende für Arved geklärt.
»Ich glaube, ich sollte jetzt gehen«, sagte er und
stand auf. Er bückte sich, nahm sein Buch an sich und
schickte sich an, die furchtbare Wohnung zu verlassen.
    »Warten Sie!«, rief Schult von seinem Sessel aus.
»Ich hab noch was für Sie.« Er erhob sich
ebenfalls, schwankte ein wenig und schlich dann in den Hur. Dort
öffnete er einen großen, begehbaren Abstellschrank, in
dem ein ähnliches Tohuwabohu wie in der übrigen Wohnung
herrschte, und kramte auf einem der Regale herum. Als er nicht
sofort fand, was er suchte, schaltete er das Licht ein.
    Es war ein etwa anderthalb Meter breiter und zweieinhalb Meter
langer, fensterloser Raum, an

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