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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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aufgehängt. Wie baumelnde
Schweinehälften. Und einer der Spiegel war herumgeschwenkt
und hatte ihren Wagen eingefangen. Drei Gestalten saßen
darin. Eine davon war sie, am Steuer, mit blutunterlaufenen Augen
und weiß wie der Tod. Die beiden anderen hinter ihr hatte
sie nur für den Bruchteil einer Sekunde gesehen. Dann war
die schwarze Wolke gekommen. Der LKW verschwand hinter einer lang
gezogenen Kurve.
    Sie schaute auf die Rückbank. Dort saß niemand.
Natürlich hatte sie sich geirrt, natürlich hatte sie
nur Phantome gesehen. Wirkliche Phantome? Arveds Erzählung
wurde immer realer. Sie wünschte, es wäre ihr
möglich gewesen, das Schattenbuch zu vernichten. Sie hatte
den Brandgestank in Sauers Haus gerochen, doch danach hatte das
Buch unbeschädigt in ihrem Auto gelegen. Hatte der Drucker
in Wittlich nicht auch von Brandgeruch gesprochen? War es
wirklich eine gute Idee, Sauer mit dem Fall zu betrauen?
    Reiß dich zusammen! Fahr weiter!
    Sie gehorchte.
    Lioba nahm die Abfahrt Manderscheid, fuhr hinunter ins Tal der
Lieser, nach Niedermanderscheid, vorbei an der Niederburg, deren
Steinmassen wie zum Sprung auf die Straße bereit schienen,
dann wieder hoch in den eigentlichen Ort, immer weiter bergan,
bis sie an den Kreisel des Ceresplatzes kam. Manderscheid war
sehr ruhig heute Abend, fast ausgestorben, nur vor einem
Supermarkt standen zwei junge Männer und gestikulierten
wild. Lioba umrundete den Kreisel fast ganz, bog in die
Mosenbergstraße ein, dann wieder nach rechts in die kleine
Gasse, an deren Ende Arved Winters Haus inmitten von
Obstbäumen lag. Lioba stellte den Wagen vor der Garage ab
und stieg mit weichen Knien aus. Es wurde Zeit, dass dieser ganze
Spuk endete. Hätte sie bloß Arved nie dieses Buch
geschenkt! Aber wie hätte sie wissen sollen, was sich daraus
entwickelte?
    Mit Arveds Schlüssel sperrte sie die Haustür auf und
warf sie sofort wieder hinter sich zu, damit die Katzen nicht
entkommen konnten. Im Keller fand sie einen Katzenkorb, der
groß genug für beide Tiere war. Sie stellte ihn in die
Diele und machte sich auf die Suche nach Salomé und
Lilith.
    Sie waren nirgends zu sehen.
    Lioba lockte sie mit allen möglichen Geräuschen
– umsonst. Dann ging sie in die Küche und suchte nach
dem Katzenfutter. Bald hatte sie die Dose auf einem hohen Bord
gefunden, nahm sie herunter und raschelte damit. Nichts. Sie ging
mit der Dose in der Hand durch das ganze Haus, schaute auch im
Garten nach, dessen Umzäunung die Tiere nicht
überwinden konnten, aber die Katzen blieben
verschwunden.
    Sie sind nicht an mich gewöhnt, sie haben Angst, dachte
Lioba. Sie hatte selbst einmal eine Katze gehabt, doch nun war
auch sie mit ihrem Latein fast am Ende. Auf keinen Fall durfte
sie die beiden kleinen Pelzwesen hier lassen, denn sie
würden verhungern. Arved hing inzwischen sehr an ihnen, auch
wenn sie eine unfreiwillige Erbschaft waren, die er zunächst
nicht sehr geschätzt hatte.
    Lioba griff zu einer letzten List. Sie stellte den offenen
Katzenkorb ins Wohnzimmer, legte genügend Futter hinein und
ging durch die Balkontür nach draußen. Sie lauerte
hinter der Scheibe und hoffte, die Tiere würden sich nun
unbeobachtet fühlen. Tatsächlich kam bald eines der
schwarzen Knäuel – Lioba hatte keine Ahnung, ob es
Salomé oder Lilith war, denn sie konnte die beiden nicht
auseinanderhalten – und umkreiste den Katzenkorb mit
angelegten Ohren. Das Tier sah sich immer wieder mit
großen, angsterfüllten Augen um – und verschwand
schließlich in dem Korb. Kurz darauf waren durch die einen
Spaltbreit geöffnete Balkontür knabbernde
Geräusche zu hören.
    Lioba atmete auf. Nun fehlte nur noch die andere Katze. Diese
aber schien noch scheuer oder ängstlicher zu sein. Es
dauerte einige Minuten, bis endlich ein schwarzer Schatten im
Wohnzimmer über den Teppich huschte. Als auch der Schwanz im
Korb verschwunden war und das Knurpsen die doppelte
Lautstärke annahm, riss Lioba die Tür auf, hastete zu
dem Korb und schlug das kleine Gitter zu. Die Katzen fauchten,
miauten und versuchten zu entkommen, aber es half ihnen nicht.
Lioba setzte den Korb auf den Rücksitz ihres Wagens, holte
das Futter, das Katzenklo und Streu dafür, schloss
sorgfältig das Haus ab und machte sich auf den Rückweg
nach Trier.
    Die beiden jungen Männer standen noch immer vor dem
Supermarkt an der Kurfürstenstraße. Als sie Liobas
Wagen sahen, zuckten sie

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