Das Schattenbuch
zusammen und schauten ihm ungläubig
nach, wie Lioba mit einem Blick in den Rückspiegel
feststellte.
Die Katzen schrien und weinten und streckten die Pfoten
zwischen den Stäben hindurch. Es war nervtötend. An der
Autobahnraststätte Eifel hielt sie an und
schüttete noch mehr Futter in den Käfig. Die Katzen
zischten sie dabei an, als sei sie der böse Feind
persönlich.
Den Rest der Fahrt musste Lioba die Geräuschkulisse
zweier panischer Katzen ertragen. In ihrem Haus ließ sie
die beiden frei. Sie hatte zwar Angst um ihre wertvollen
Bücher, aber Arved hatte ihr schon bei früherer
Gelegenheit versichert, Lilith und Salomé würden an
nichts als an ihrem Kratzbaum kratzen.
Und genau den hatte Lioba vergessen.
Fluchend stellte sie das Katzenklo in die Küche und die
Näpfe mit dem Trockenfutter in einiger Entfernung davon
neben die Tür, zusammen mit einem Schälchen Wasser.
Dann sorgte sie dafür, dass alle Türen im Haus
außer der zum Schlafzimmer offen standen, nachdem sie sich
vergewissert hatte, dass die Katzen nicht unter dem Bett
steckten. Bei ihrem Rundgang entdeckte sie keine Spur der beiden.
Mit einem Seufzen ging sie ins Bad und bereitete sich für
die Nacht vor.
Zuerst fand Lioba keinen Schlaf. Durch die geschlossene
Tür glaubte sie es unten hasten und rascheln zu hören,
und sie hatte doch ein wenig Angst um ihre Bücher.
Wenigstens waren die Katzen in Sicherheit. Aber sie gaben keine
Ruhe. Gegen zwei Uhr stand Lioba auf und sah nach.
Sie schlich sich an. Salomé und Lilith befanden sich im
Wohnzimmer. Gut, dass die wertvollsten Bücher hinter Glas
standen. Die beiden Katzen saßen in der Mitte des Raumes
und beschnupperten sich gegenseitig, als wollten sie sich des
Beistandes ihrer Genossin versichern. Als sie Lioba bemerkten,
glotzten sie sie mit großen Augen an und stoben davon. Sie
sah zwei schwarze Blitze, und die Tiere waren verschwunden. Nein,
eigentlich hatten sie nicht Lioba angeschaut, sondern den Blick
auf etwas neben ihr gerichtet. Sie drehte sich um.
Sie spürte einen kalten Hauch wie von etwas, das dicht
und eisig an ihr vorüberging. Liobas Nackenhaare richteten
sich auf. Sie floh in ihr Schlafzimmer und verriegelte die
Tür. Von unten hörte sie wieder Lärm. Es war
Kampfeslärm. Fauchen, Miauen, seltsames Schreien, bei dem
sie nicht sicher war, ob es wirklich von den Katzen stammte.
Am nächsten Morgen sah das Wohnzimmer wie ein
Schlachtfeld aus. Blut klebte auf dem Parkett, Fellfetzen lagen
verstreut umher, Bücher waren durcheinandergewirbelt worden.
Lioba schaffte seufzend Ordnung und war froh, als sie
feststellte, dass die Bücher keinen Schaden genommen hatten.
Dafür hatte einer der Sessel als Kratzbaum herhalten
müssen. Wenigstens war es nur der gegen die Regale
gerichtete Rücken, auf dem sich die Krallenspuren
abzeichneten. Die beiden Katzen hingegen blieben unsichtbar.
Sie las ihre E-Mails, um sich zu beruhigen. Es waren einige
Bestellungen gekommen, sie machte die Pakete versandfertig. Dies
war ein Stück Normalität. Aber der Gedanke an Arved
ließ sie nicht ruhen. Wie mochte er die Nacht verbracht
haben? Sie trug zuerst die Pakete zur Post –
schließlich musste sie auch an ihr Geschäft denken,
das sie in der letzten Zeit sträflich vernachlässigt
hatte – und fuhr dann zu Abraham Sauer.
Jonathan öffnete ihr die Tür und grinste sie mit
zusammengekniffenen Lippen hämisch an. Lioba mochte ihn
immer weniger. Er führte sie zu Sauer und verließ
nicht den Raum, als der alte Sammler Lioba Platz zu nehmen bat.
Sie setzte sich in den Ohrensessel gegenüber ihrem Gastgeber
und sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich werde Sie ins Gefängnis begleiten«, bot
er ihr an. Sie atmete auf. »Wir können sofort
losfahren. Jonathan, holen Sie bitte den Wagen.«
Als Lioba sich umdrehte, war der Diener schon verschwunden.
Sauer stand auf und bot Lioba galant den Arm. Sie hakte sich bei
ihm unter. Es war ein gutes, beruhigendes Gefühl, seine
Nähe zu spüren. Er führte sie durch das
große, außen so klar gegliedert erscheinende und im
Innern so verwinkelte Haus und hinaus zur Auffahrt, wo schon ein
großer, alter Mercedes auf sie wartete. Jonathan
öffnete seinem Herrn und dessen Begleiterin den Schlag.
»Es ist schade, dass Sie wegen eines so unangenehmen
Anlasses bei mir sind«, sagte Sauer, als sich der Wagen
langsam und leise in Bewegung setzte. Der alte Anwalt
drückte auf einen Knopf, und eine
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