Das Schattenbuch
den Mund verzog, doch als er sie
anprobierte, musste er eingestehen, dass sie ihm sehr gut
standen. Zwei Paar Schuhe sowie fesche Unterwäsche
vervollständigten die Ausstattung. Mit prall gefüllten
Plastiktüten bepackt verließen die beiden das
Bekleidungsgeschäft, stiegen hinab in die Unterwelt des
Parkhauses und machten sich auf den Weg zu Lioba.
»Ich freue mich auf die Katzen«, sagte Arved, als
Lioba die Haustür aufschloss.
»Freu dich nicht zu früh«, murmelte sie. In
der Tat waren weder Lilith noch Salomé zu sehen, als sie
eintraten. Arved versuchte sie zu locken, doch sie kamen nicht.
»So geht das schon die ganze Zeit«, sagte Lioba,
während sie die Tüten nach oben in ihr Schlafzimmer
trug. »Sie werden schon noch kommen. Du solltest dich erst
einmal umziehen. Vielleicht riechen sie das Blut.«
Arved folgte ihr ins Schlafzimmer.
Lioba legte ihm eine beigefarbene Baumwollhose und ein Hemd
mit kleinen blauen, weißen und ockerfarbenen Streifen
heraus. »Das möchte ich als Erstes an dir
sehen.«
»Dann warte bitte draußen.«
Lioba grinste breit, verneigte sich spöttisch und
verließ das Schlafzimmer. Sie wartete vor der geschlossenen
Tür, bis er sie hereinrief.
Er sah hinreißend aus. Das war nicht mehr der alte,
stocksteife Arved. »Wenn du das Hemd jetzt noch aus der
Hose trägst, ist es perfekt.« Arved schnitt eine
Grimasse. Lioba war mit zwei Schritten bei ihm und zog ihm das
Hemd aus dem Bund. Dann küsste sie ihn, um seine Proteste zu
ersticken. »Jetzt das andere Hemd.« Sie knöpfte
das, was er noch am Leib hatte, auf. Sie spürte, dass er
sich schämte, streifte es ihm über die Schultern und
fuhr mit der Hand über den Ausschnitt des Unterhemdes. Dann
zog sie es ihm ebenfalls aus. Was sie am meisten erstaunte, war
der Umstand, dass er es geschehen ließ. Seine Brust war
erstaunlich behaart, und er war gar nicht so dick, wie sie
befürchtet hatte. Und wenn schon, sagte sie sich, du selbst
bist auch nicht mehr ganz taufrisch.
Er ließ ihre Liebkosungen mit einem wohligen Seufzen
über sich ergehen, dann wurde er ebenfalls überraschend
fordernd und forsch.
Sie hatte vermutet, Arved wäre scheu und linkisch, aber
er schien ein Naturtalent zu sein. Er liebte sie mit aller
Zärtlichkeit, die notwendig war, um sie geradewegs in den
Himmel zu katapultieren.
Nachher lagen sie schweißnass und keuchend
nebeneinander. Lioba schwamm in einem Meer aus
Glückseligkeit. Sie umarmte Arved, wollte ihn nie wieder
hergeben. Vergessen war Abraham Sauer, vergessen das
Schattenbuch. Vor ihr lag eine neue Welt. Arved streichelte Lioba
schweigend und hing seinen eigenen Gedanken nach. Er wirkte
entspannt und glücklich und auch ein wenig erstaunt
über sich selbst. Er drehte sich zu ihr um und lächelte
sie an, küsste sie zärtlich, küsste sie am ganzen
Körper.
»Es reicht«, kicherte sie, als es kitzelte.
»Du musst nicht jedes Speckröllchen und jede Falte
küssen. Schau besser nicht so genau hin.«
»Du bist schön, und wenn du noch tausend Falten
mehr hättest. Ich habe noch nie eine so erotische Frau wie
dich getroffen.«
»Bei der Auswahl, die du bisher als Priester unter
deinen Gemeindeschwestern genießen durftest, ist das wohl
kein großes Kompliment«, meinte sie.
»Gemeine Hexe!«, empörte er sich neckend und
packte das Kissen unter seinem Kopf. Er zog es hervor und warf es
nach ihr. Sofort war eine Kissenschlacht im Gange. Sie rauften
kichernd und prustend im Bett wie Kinder auf einer Klassenreise.
Dann platzte Liobas Kissen. Eine Federwolke stieg auf und
veranlasste die beiden zu noch lauterem Lachen.
Die Federn ballten sich zusammen, sanken langsam auf das Bett
zurück und bildeten dabei eine Gestalt.
Lioba und Arved erstarrten, als sie bemerkten, wie sich
zwischen ihnen etwas formte. Es war eindeutig ein menschlicher
Umriss; Arme, Beine und Rumpf waren deutlich zu erkennen. Der
Kopf war in den Nacken gelegt, und der Mund stand weit auf, wie
zum Schrei. Dann sackten die Federn in sich zusammen.
Arved und Lioba starrten sich an. Sie sprangen gleichzeitig
aus dem Bett, zogen sich rasch an, schweigend, und gingen
hinunter. Die Katzen waren nirgendwo zu sehen.
Als sie in den Sesseln im Wohnzimmer saßen, einander
gegenüber wie bei ihrer ersten Begegnung, fragte Lioba:
»Warum wolltest du dich nicht von Abraham Sauer verteidigen
lassen?«
»Er hat etwas mit dem Schattenbuch zu tun.«
Lioba hob die Brauen und
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