Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
geschlafen, und das gedenke ich jetzt auch
wieder zu tun.«
    Nach diesem beruhigenden Gespräch ging Arved zu Bett. Die
Katzen schliefen bei ihm, eine am Fußende, eine neben
seinem Kopf.
    Am Morgen holte er seinen Bentley ab, lockte die Katzen mit
etwas Futter in den Transportkorb und stellte ihn auf den
Rücksitz des Wagens. Dann rief er Lioba an und wollte
hören, wie sie die Nacht verbracht hatte.
    Sie ging nicht ans Telefon.
    Vielleicht war sie ja in der Dusche. Arved dachte an ihr
gemeinsames gestriges Erlebnis unter der Brause, und ein Prickeln
lief über seinen Körper. Er ließ das Telefon
klingeln, klingeln, klingeln. Schließlich legte er auf.
Möglicherweise machte sie einen Spaziergang. Doch er wurde
immer nervöser. Wenn sie unter der Dusche gewesen wäre,
musste das Dauerklingeln sie hervorgelockt haben. Und wenn sie
gerade Brötchen holte?
    Arved wollte nicht mehr warten. Er lief zu seinem Wagen, den
er in der Windmühlenstraße geparkt hatte, weil vor
Liobas Haus kein Platz gewesen war, und fuhr los. Wieder nach
Manderscheid, seine Hausstrecke, doch er hatte keine Muße,
einen Blick auf die sommerliche Landschaft zu werfen.
Wolkenschatten glitten über die Felder, über die
Weinberge, über die Bahn und das Auto. Obwohl Arved immer
noch das Gefühl hatte, als sei etwas Gewaltiges, Dichtes,
Erdrückendes von ihm abgefallen, fühlte er sich elend.
Die Angst um Lioba schnürte ihm die Kehle zu. Er fuhr mit
Höchstgeschwindigkeit.
    Die Autobahn war ein Band, eine Schlange, die sich vor ihm
ausstreckte, und irgendwo hinter dem Horizont lauerte der
geöffnete Rachen.
    Schweich, Salmtal, Wittlich, Hasborn. Der Rachen kam nicht in
Sicht. Arved war froh, als er die Autobahn verlassen konnte.
    Der Weg hinunter ins Liesertal und wieder hinauf nach
Manderscheid war quälend lang, und die vielen Kurven zwangen
ihn, langsam zu fahren. Zu allem Überfluss tuckerte noch ein
grüner Traktor ab Niedermanderscheid vor ihm her. Auf der
kurzen Geraden vor dem Ort überholte Arved und raste mit
quietschenden Reifen durch den Ort, was ihm das
Kopfschütteln einiger Passanten einbrachte. Er schleuderte
um den Kreisel des Ceresplatzes, nahm die erste Straße
rechts – In den Wiesen, seine Straße, gab noch einmal
heftig Gas und kam mit einem Ruck vor der Garage seines Hauses
zum Stehen. Er hatte seinen Zweitschlüssel mitgenommen und
öffnete die Tür, ohne vorher zu klingeln.
    »Lioba!«, rief er aufgeregt. Ein Teil von ihm war
sicher, dass sie gleich aus dem Wohnzimmer, dem Bad oder der
Küche kommen würde, doch alles blieb still und ruhig.
Er lief durch das ganze Haus. Sie war nicht da. Das Bett war
ungemacht. Er legte die Hand zwischen die Laken. Sie waren noch
warm; also hatte Lioba hier geschlafen. Was war heute Morgen
geschehen?
    Erst als er – inzwischen etwas ruhiger geworden –
einen zweiten Gang durch das Haus machte, bemerkte er, dass der
kleine Beistelltisch neben dem Sofa umgekippt und der Teppich an
einer Ecke umgeschlagen war. Arved holte die Katzen. Als er sie
durch die Tür trug, begannen sie zu miauen und zu fauchen.
Er stellte den Korb ab und öffnete ihn.
    Sie verkrochen sich in die hinterste Ecke des Korbes, und
weder gute Worte noch Futter konnten sie hervorlocken.
    Was immer es war, es war noch nicht vorbei.
    * * *
    Lioba hatte ausgezeichnet geschlafen. Die Sommersonne weckte
sie, und durch das Fenster sah sie Wiesen und Obstbäume
sowie grasende Kühe. Zuerst wusste sie nicht, wo sie war,
doch dann erinnerte sie sich an den vergangenen Abend, an die
Liebe und Zärtlichkeit und an Arveds überhastete
Abreise nach Trier.
    Sie duschte; das warme Wasser rann wie liebkosende
Fingerspitzen über ihren Körper, dem sie sich nun
wieder ganz zugehörig fühlte. Wohlig trocknete sie sich
ab, schlang sich das Handtuch um und ging zurück ins
Schlafzimmer, um sich anzukleiden. Da spürte sie einen
leichten Luftzug. Vermutlich hatte sie irgendwo ein Fenster nicht
geschlossen. Sie zog sich weiter an.
    Als sie sich die schweren, aber blitzsauberen Wanderstiefel
umband, hörte sie ein Huschen, ein Wispern und Kratzen, als
eile etwas verstohlen über den Boden. War etwa Arved mit den
Katzen schon zurück? Er hätte sich doch bemerkbar
gemacht. Sie trat hinaus auf den Flur. Niemand war hier,
natürlich. Dennoch blieb ein seltsames Gefühl der
Bedrohung, als sie zurück ins Wohnzimmer ging. Sie setzte
sich, stand sofort wieder auf. Sie verspürte

Weitere Kostenlose Bücher