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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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»Oder beim
Hochziehen?«
    Arved stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich
wünschte, es wäre so. Aber ich habe Angst um
dich.«
    Lioba gab ihm einen Nasenstüber. »Was immer gewesen
ist, ist vorbei. Selbst wenn es da wirklich etwas gab, habe ich
ja meine wilde Vergangenheit bereut.« Sie schlug die Augen
nieder, als wolle sie in sich schauen. »Du kannst mir
glauben, dass das nicht leicht für mich war. In gewisser
Hinsicht hat das Schattenbuch bei uns beiden sogar Gutes bewirkt.
Wir haben unsere Fehler gesehen und angenommen und dafür
gebüßt, und wir werden sie nie wieder
machen.«
    »Versprich mir, dass es vorbei ist«, sagte Arved
und umarmte Lioba wieder. Es war ein widersinniger Wunsch, aber
er wollte die Bestätigung haben, dass der Albtraum nun ein
Ende hatte.
    »Ich verspreche es«, sagte sie und verschloss
seinen Mund mit Küssen.
    Draußen waren die dumpfen Geräusche grasender
Kühe zu hören, und das Singen der Amseln, die die Nacht
herbeilockten.
    Nach einigen Minuten sprang Arved im Bett so heftig auf, dass
die Federn quietschten und das Gestell wackelte. »Die
Katzen!«, rief er. »Ich habe Lilith und Salomé
ganz vergessen!«
    Lioba versuchte ihn wieder in die Kissen zu ziehen. »Die
beiden sind moppelig genug; sie halten es auch mal eine Nacht
ohne Fressen aus.«
    »Nein, das geht nicht, das haben sie noch nie gemusst.
Sie werden leiden. Wir müssen nach Trier fahren.«
    »Wie denn? Mein Wagen liegt im Liesertal auf dem Dach,
und deiner steht immer noch auf dem Parkplatz des
Polizeipräsidiums. Und ich bin unendlich
müde.«
    »Wenn du nicht zurückfahren willst, tue ich es eben
allein. Gib mir die Hausschlüssel, bitte.«
    »Aber es ist zu spät für den Bus.«
    »Ich rufe mir ein Taxi.«
    »Weißt du, was das kostet?«
    »Das sind mir die armen Tiere wert.«
    Lioba hob bewundernd die Brauen. Schon war Arved aufgestanden
und zog sich an. Sie lehnte sich zurück in die Kissen und
schaute ihn aus halb geschlossenen Augen an. Plötzlich kam
er sich vor Lioba unsagbar nackt und verletzlich vor. Er war
froh, als er wieder in Hemd und Hose vor ihr stand. Sie hingegen
machte keine Anstalten, ihre Blöße zu bedecken.
»Darf ich hier bleiben?«, fragte sie leise.
»Ich bin so kaputt.«
    Arved nickte und genoss noch einmal den Anblick ihres reifen,
festen Körpers. Unter Mühen riss er sich los,
telefonierte nach einem Taxi, und eine halbe Stunde später
saß er mit Liobas Schlüssel in einem cremefarbenen
Mercedes mit Trierer Nummer. Sie hatten beschlossen, in dieser
Nacht die Häuser zu tauschen. Morgen früh würde
Arved seinen Wagen abholen und zusammen mit den Katzen
zurück nach Manderscheid kommen.
    Während der ganzen Fahrt dachte er an das Abenteuer auf
der Oberburg. Für ihn war es entsetzlich real gewesen. Doch
jetzt hatte er das Gefühl, dass es vorbei war. Wenn eine der
Geschichten eine Entsprechung in seinem eigenen Leben hatte, dann
war es die erste: Die Geschichte der Sammlerin und des
unglücklich in sie Verliebten. Das Wesentliche dieser
Geschichte war das Abgewiesenwerden – genau das, was Victor
damals bei ihm hatte erleiden müssen. So lange schon hatte
dieser dunkle Fleck auf Arveds Seele gelastet. Er hatte ihn sich
weiß geredet, hatte ihn irgendwann tatsächlich
vergessen, scheinbar vergessen, doch im Verborgenen war er immer
da gewesen, wie eine ansteckende Krankheit.
    Und die zweite Geschichte?
    Plötzlich tat es Arved Leid, dass er Lioba allein
gelassen hatte. Doch was sollte ihr in seinem Haus schon
passieren? Sie wusste sich zu wehren. Die Nacht flog an ihm
vorbei, der Taxifahrer schwieg während der ganzen Fahrt, und
Arved schwamm in guten und schlimmen Gedanken.
    Als er die Tür zu Liobas Haus aufschloss, hörte er
bereits das Miauen. Er flog in die Diele, und seine beiden Katzen
stürmten auf ihn zu und strichen ihm um die Beine. Er
streichelte sie, setzte sich auf den harten, kalten Steinboden,
spielte mit ihnen, dann ging er in die Küche und gab ihnen
ihre Bobbels, die Lioba als fürsorgliche Katzenpflegemutter
von Arved mitgebracht hatte. Alles war gut. Die Tiere sprangen
freudig erregt umher, nachdem sie gefressen hatten, und wichen
ihrem Herrn nicht mehr von der Seite.
    Arved aber machte sich Sorgen. Wie mochte es Lioba gehen? Er
rief sie an. Sie war sofort am Telefon.
    Nein, sagte sie, es sei alles in Ordnung, sollte denn etwa
nicht alles in Ordnung sein? »Du hast mich geweckt. Ich
habe wie ein Baby

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