Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Bürde, die ich als Obedience mein Leben lang tragen musste. In Wahrheit sehnte ich mich sehr danach, das Baby zu behalten. Ich wusste natürlich, das war mächtig dumm, aber ich konnte mich nicht von dem kleinen Wesen trennen. Wie es sich an mich klammerte, so unfertig, wie es war. Gerade so, als könnte es wie eine Eierschale zerbrechen. Das alles rührte mich zutiefst. Ich wusste nicht, wie, doch wenn ich das Kind vor Mr. Pars verbarg, bis ich eine Lösung gefunden hatte, konnte es klappen.
Ich schaute mich ängstlich um, sobald meine wunden Füße mich die Auffahrt zur Villa hinauftrugen. Irgendwas ging hinter dem Haus vor sich, denn eine dunkle Rauchsäule stieg im Garten auf. Die Luft schmeckte aschig. Geschickt verbarg ich das Baby unter meinem Mantel und schlüpfte durch die Vordertür ins Haus. Ich hielt die Luft an, als ich flink in die Küche schlich. Gott sei Dank war Mr. Pars draußen im Garten. Ich wärmte ein bisschen Milch auf, und Evelina nahm sie vom Löffel. Danach schlief sie ein, und ich legte sie in den Korb.
Dieser Plagegeist Bengo kratzte an der Tür. Damit mir die Arbeit nicht ausging, hatte er alles vollgespien. Diese Ratte von einem Hund wankte wie ein Betrunkener, was fast komisch aussah. An seiner Schnauze klebte ein verkrusteter Streifen von getrocknetem, grünlichem Erbrochenen, und mehr davon fand ich im Hof. Weil ich fürchtete, er könnte Evelina verraten, schloss ich ihn mit einer Schüssel Wasser im Küchenhof aus.
Ich wusste, ich würde schon am nächsten Tag verschwinden. Jedes Mal, wenn ich durch das Fenster Mr. Pars sah, fühlte ich mich unwohler. Obwohl er in einiger Entfernung beschäftigt war, merkte ich, wie selbstzufrieden er sich verhielt. Es verschaffte ihm große Befriedigung, die persönlichen Sachen meiner Herrin zu vernichten. Ich war nicht dumm. Ich wusste, indem ich die kleine Evelina wieder mitgebracht hatte, war ich ungehorsam gewesen. Ich dachte an seine andere Bitte und zerbrach mir den Kopf, was ich mit Carinnas Edelstein tun sollte.
Mittlerweile schlug es vier. Jetzt sind es nur noch zwei Stunden, bis Mr. Loveday heimkommt, sagte ich mir. Um mich von den Grübeleien nicht völlig vereinnahmen zu lassen, tat ich, was ich in solchen Fällen immer tat: Ich fing an zu kochen.
Die Rinderschulter, die es zu Ostern hätte geben sollen, hing in der Speisekammer. Schon bald briet sie über dem Feuer. Im Vorrat fand ich viele frische Lebensmittel, die alle aufgebraucht werden mussten, bevor ich am nächsten Tag verschwand. Wenn Mr. Loveday zurück ist, wird alles gut, redete ich mir ein. Zweifellos würde nach den letzten Ereignissen jeder seiner eigenen Wege gehen, und ich würde Evelina mit mir nehmen. Der heutige Abend verlangte nach einem Leichenschmaus zu Ehren Carinnas. Das war das Letzte, was ich für sie tun konnte. Ich zog also das
Schatzbuch der Köchin
zu Rate heran und fand ein paar feine Rezepte. Als ich die Sachen zurechtlegte, schienen plötzlich all meine Sorgen zu verblassen. Zuerst machte ich ein paar Pasteten und backte ein schönes Weißbrot. Dann begann ich, ein paar Beerdigungsküchlein anzurühren, und die Freude über dieses neue, spannende Rezept war wie Balsam für meine Seele. Das Kneten und Sieben, das sorgsame Ausschneiden der Papierförmchen nach dem alten Rezept in Form winziger Särge – wäre nicht Mr. Pars mit seiner hasserfüllten Drohung gewesen, hätte ich sogar Glück empfunden. Denn das war es, was ich tun wollte, diese Erkenntnis reifte an jenem Nachmittag: in meiner eigenen Küche arbeiten mit einem kleinen Baby neben mir. Mein ganzes Inneres schmerzte bei dem Gedanken an meine ungeborenen Söhne und Töchter. Wie eine Wölfin würde ich gegen jene kämpfen, die ihnen etwas antun wollten. Und wenn jemand versuchen sollte, Evelina zu schaden, wäre es genauso.
Ist schon merkwürdig, aber manche Leute denken wohl mit einer Pfeife zwischen den Zähnen besser, andere brauchen eine Nadel zwischen den Fingern. Für mich aber sind die ordentlichen Handgriffe beim Kochen das Beste zum Nachdenken. Zuerst dachte ich an den Edelstein. Wo sollte ich ihn vor Mr. Pars verstecken? Bald kam ich auf eine wunderbare Idee. Es dauerte nur Sekunden, ihn sicher zu verstauen. Froh, den letzten Wunsch meiner Herrin erfüllt zu haben, machte ich mich wieder an die Arbeit. Der Tisch im Speisezimmer war schon bald mit einem frischen Leintuch bedeckt, und meine Pasteten, der Braten und die Früchte richtete ich hübsch geometrisch an.
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