Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Während ich die Masse für die Beerdigungsküchlein in die Förmchen gab, begann ich, die verschiedenen Ereignisse der vergangenen Monate zusammenzusetzen. Der erste Schwung Küchlein backte, und ich dachte an die Freundlichkeit meiner Herrin, die mir ihr Schönheitswässerchen überlassen hatte. Beim Abwaschen der irdenen Töpfe erinnerte ich mich an mein dummes Misstrauen, sie könnte Sassafras-Öl benutzt haben, um Sir Geoffrey zu vergiften. Warum war ich so einfältig gewesen zu glauben, meine Herrin könnte überhaupt jemanden vergiften, überlegte ich, als ich die ersten Küchlein aus dem Ofen holte. Es sah eher aus, als wäre sie vergiftet worden, so schnell hatte sie gesundheitlich abgebaut.
Hastig schob ich das heiße Brett mit den Küchlein auf den Tisch. Evelinas Händchen zuckte im Schlaf in die Luft, aber nach kurzem Schmatzen schlief sie wieder ein. Gift? Das war doch Unsinn. Trotzdem … Carinnas grünliches Erbrochenes war kein Gallensaft gewesen. Das war es, was die ganze Zeit an mir zerrte, denn Bengo war auch urplötzlich krank geworden und hatte grünes Zeug gespuckt.
Ich schlug die Hand vor den Mund, als müsste ich mich daran hindern, es laut auszusprechen. Nein, das konnte nicht stimmen. Hatte ich nicht alles, was meine Herrin aß oder trank, eigenhändig zubereitet? Dann musste sie sich irgendwo angesteckt haben. Kurz spürte ich die Erleichterung. Aber was war das für eine Krankheit, die nur Bengo und sie heimsuchte? Es musste etwas sein, das sie gegessen hatte. Sie hatte die Zitronencreme verspeist, mehr nicht. Und die hatte ich auch probiert. Sie hatte mir sogar ausgezeichnet geschmeckt. Trotzdem hatte auch Bengo etwas Grünliches von sich gegeben. Was hatten die beiden zu sich genommen, das sonst niemand angerührt hatte?
Mein Herz raste, als ich durch das Fenster spähte. Mr. Pars war immer noch mit seinem Freudenfeuer beschäftigt. Wieso nur genügte sein Anblick, um in mir den Wunsch zu wecken, die Beine in die Hand zu nehmen? Ich schloss die Augen. Was hatten meine Herrin und Bengo gegessen? Sie hatte schon vor langer Zeit ihre Süßigkeiten aufgegeben, es gab also nichts in ihrem Gemach. Oder was hatte sie getrunken? Nur ihren Beinwelltee.
Ein eisiger Schauer durchfuhr mich. Heute früh hatte Bengo die Reste von ihrem Beinwelltee aufgeleckt. Nachdem er die Tasse zerbrochen hatte, war die Flüssigkeit überall auf dem Boden verteilt gewesen. Bestimmt hatte der dumme Köter etwas aufgeschleckt.
Aber das konnte es auch nicht sein. Nur Mr. Loveday und ich hatten den Tee auf dem Markt gekauft. Dennoch erinnerte ich mich dunkel daran, wie Carinna mir letzte Nacht erzählte, Mr. Pars habe ihr noch welchen gekocht. Es musste der Beinwelltee sein. Mir fiel die Walnusskiste mit den kleingeschnittenen Blättern neben ihrem Bett ein.
Wieder schaute ich nach draußen. Mr. Pars warf einen großen Reisekoffer ins Feuer und stocherte mit einem Stecken darin herum. Evelina schlummerte friedlich, und ihre winzigen Lider flatterten. Möglichst leise schlich ich durch den Korridor und die Treppe hoch. Es würde nur einen Moment dauern, den Tee zu finden und sicherzustellen, dass er ihn nicht vertauscht hatte. Dennoch verlangsamte ich meine Schritte, als ich mich dem Zimmer meiner Herrin näherte. Ich hatte ihren Leichnam nicht mehr gesehen, seit ich sie letzte Nacht hergerichtet hatte.
Ich stieß die Tür auf. Noch immer war sie mit dem Laken bedeckt, doch schon kreiste ein halbes Dutzend Fliegen wie Totenwächter über ihr. Rasch trat ich an den Tisch und fand die Kiste. Sie war ordentlich verschlossen, wie es sich gehörte. Ich öffnete sie und besah die blassgrünen Teeblätter. Gott sei Dank, sagte ich mir, das sind Beinwellblätter. Ich seufzte und rieb aus Gewohnheit ein paar Blätter zwischen den Fingern. Dann hob ich die Finger an die Nase und schnupperte.
Der Geruch war nicht der von Beinwell. Beinwell roch grün nach verschimmelter Petersilie. Das hier duftete eher nach Mohnblumen und kitzelte in der Nase. Ich schnupperte noch einmal und steckte die Nase tief in die Teekiste. Ich kannte den Geruch, ich hatte ihn schon oft wahrgenommen. Dann bemerkte ich die winzigen Härchen auf den Blättern. Und schon wusste ich, was es war. Ein bekanntes Kraut, das berühmt war als Heilmittel und Gift. Fingerhut.
Das Knarzen einer Stufe ließ mich wie einen Feldhasen bei der Hatz zusammenzucken. Ich versuchte, den Deckel lautlos zu schließen, doch meine ungeschickten Finger ließen ihn los,
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