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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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den Marktweibern und später, als es aus der Waschküche des Captains heraufgehallt war? Sogar in der Schenke hatte es dicht unterhalb der Wasserlinie seiner Aufmerksamkeit gesummt wie ein Moskito. Er kehrte ans Fenster zurück und blickte zum Mond auf.
Mutter Fula
hatte ihn in der letzten Nacht auf Lamahona an die weißen Männer verraten. Sie war eine Betrügerin. Aber sie sagte auch die Wahrheit und brachte Geheimnisse ans Licht.
    Er starrte zu ihr hinauf und dachte an die Gezeiten, die sie mit ihrer magischen Kraft über die Erde zog, an die komplizierten Muster der Fischzüge, die den Fischern und Jägern Jagdglück oder Verlust einbrachten. Er wusste, es gab noch andere dunkle Flüsse der Veränderung, die sie mit sich brachte. Die Blutungen der Frauen jeden Monat, die Schmerzen der Geburt. Die Schreie des Babys begannen erneut, sie flehten ihn an, sie bettelten um seine Aufmerksamkeit – und auf einmal konnte er keinen Moment länger dem Pfad des Schicksals standhalten.
Mutter Fula
trieb ihn an, sich die Stiefel anzuziehen und Perücke und Mantel in eine Satteltasche zu stopfen. Er schüttelte den Kutscher wach und erklärte ihm rasch, er müsse zurück zur Villa, weshalb der andere die Kutsche allein zurückbringen müsse. «Eine Nachricht kommt zu mir», fiel ihm als Begründung ein.
    Unten im Stall schnarchten die Stallburschen auf Strohballen. Er rüttelte den jüngsten auf und lockte ihn mit einer silbernen Münze.
«Cavallo»
, flüsterte er. Das italienische Wort hatte er oft genug gehört, um sich daran zu erinnern. Der Junge rieb sich die verklebten Augen und steckte die Silbermünze rasch ein. Kaum ein Klirren oder Knarren war zu hören, während er ein großes, braunes Pferd sattelte und in den Hof führte. Schon bald saß Loveday im Sattel, hielt die Zügel und lenkte mit den Knien. Es war eine verrückte Unternehmung, sich mitten in der Nacht allein aufzumachen. Doch auf dem Weg durch die schlafende Stadt kam er erstaunlich leicht voran. Über ihm standen die silbrigen Türme und Torbögen der modernen Stadthäuser still bis auf das Echo der Metallschuhe seines Pferdes. Er kam an dem salzig riechenden Hafen mit seinem Wald aus Masten vorbei, dann lenkte er das Pferd auf die Straße, über die er am Vortag gekommen war. Sanfter Druck genügte, damit das Pferd in Trab fiel und die Kopfsteinpflasterstraßen hinter sich ließ. Er schlug die Straße nach Ombrosa ein, und das Pferd bewegte sich in der Dunkelheit so mühelos wie ein Fisch, der seinem Laichgrund entgegenschwamm. Lovedays lange Haare lösten sich aus dem Zopf und flogen in der warmen Brise. Sein Oberkörper war nackt, weil er den lästigen Mantel nicht trug. Und
Mutter Fula
, die so kalt und schwer wie eine portugiesische Silbermünze am Himmel stand, leuchtete ihm den Weg nach Osten.
     
    Die Nacht war noch immer totenstill, als er die vertraute Umgebung erkannte. Einige Fackeln flackerten vor den verrammelten Holztoren von Ombrosa, das sich auf dem schwarzen Buckel des Hügels erhob. Dann sah er den blassen Fleck, wo der eingestürzte Turm an der Kreuzung in die Luft ragte. Er beugte sich tief über den Pferdehals und flüsterte etwas in die spielenden Ohren, streichelte sie sanft, ehe er das Pferd von der Straße lenkte. Die Eisentore der Villa Ombrosa richteten sich schwarz und wachsam vor ihm auf. Loveday stieg aus dem Sattel und band die Zügel seines Pferdes an einen Baum. Dann zog er die Stiefel aus und versteckte sie unter einem Busch.
    Seine nackten Füße kannten den Weg über diesen Grund besser als seine Augen. Er umging das laute Tor und schlüpfte unter einem kaputten Zaun hindurch aufs Grundstück. Zuerst spürte er die harten Kiesel der Auffahrt, die sich in seine Fußsohlen bohrten. Dann das Piken von verdorrtem Gras. Das Haus stand vor ihm wie ein Felsen in der Dunkelheit.
Mutter Fula
sank langsam nieder, und ihr dicker Leib hing über dem Spitzdach der Villa. Loveday schlich leise wie eine Schlange zur Rückseite des Hauses, denn dort befand sich die Küchentür. Er hielt inne und atmete die ungewohnte Schärfe von Asche und verbranntem Stoff ein. Es roch irgendwie falsch; es roch nach Schlechtigkeit und Zerstörung. Dann schlüpfte er hinein und fand in der Feuerstelle nur glühende Kohlen.
    Im schwachen Licht sah er überall Anzeichen für Hast und Unordnung. Kuchen lagen auf dem Tisch verstreut. Sonst stellte Biddy die Küchlein immer unter einen Metallkäfig, um sie vor Insekten und Mäusen zu schützen. Und die

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