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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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kaum verständlich. Ein einzelnes Wort klang vertraut. «Kochi?», wiederholte er. Sie nickten. Das Wort belebte ihn wie die zunehmende Flut. Kochi. In jenem sonnigen, würzigen Hafen war er auf dem Weg nach England von Bord gegangen. Er konnte sich noch gut an das Gewirr der Kaufmannshäuser erinnern. An die braunäugigen Seeleute, die nur einen weißen Lendenschurz um die Hüften geschlungen trugen. Die wunderschönen Frauen mit ihren ovalen Gesichtern, deren Nasenflügel mit Diamantensteckern geschmückt waren. Er musste nach Kochi gelangen, sein
manger
, sein Geist, verzehrte sich danach. Er streckte sich wie ein Segel im wilden Wind.
    Jesmire kam schließlich zurückgetrippelt, und ihr Mundwinkel zuckte triumphierend. «Der Captain und ich passen sehr gut zusammen», meinte sie. Sie mochte ihn sogar so sehr, dass sie Loveday sagte, es sei nicht notwendig für sie, noch einmal nach Ombrosa zurückzukehren.
    «Aber Miss Jesmire», protestierte er. «Ich sage Miss Biddy, wir heute zurück. Sie wartet uns sechs Uhr.»
    «Nun, dann wird sie wohl enttäuscht werden, nicht wahr?», sagte Jesmire und lächelte säuerlich. «Wir kehren heute Abend zurück ins Wirtshaus, und ich werde schleunigst Mr. Pars schreiben. Der Captain sagt, meine Gemächer werden morgen zur Mittagsstunde vorbereitet sein. Der Captain ist ein sehr anspruchsvoller, sehr spezieller …»
    Loveday verfiel in brütendes Schweigen, während sie weiterplapperte. Er wollte sich in dieser Stadt mit den Schiffen umschauen, ja. Doch es war ihm verhasst, Biddy gegenüber sein Wort nicht zu halten. Aber wie konnte er Jesmire umstimmen? Auch wenn er froh war, hier zu sein, fühlte es sich falsch an, sein Versprechen gegenüber Biddy zu brechen.
    Nach dem Abendessen gab Jesmire ihm einen Brief und trug ihm auf, die Post zu suchen. Sobald er ihrer pingeligen Gegenwart entronnen war, machte er in einem Wirtshaus halt, bestellte einen Humpen Bier, öffnete rasch den Umschlag und las:
    Lieber Mr. Pars,
    ich freue mich, Euch mitteilen zu dürfen, dass ich eine Stellung im überaus zufriedenstellenden Haushalt von Captain William Dodsley, Captain im Ruhestand, hier in der Casa Il Porto in Livorno angenommen habe. Daher möchte ich Euch bitten, mein noch ausstehendes Gehalt zu der angegebenen Adresse zu schicken.
    Ich muss noch einiges erledigen, wofür ich die Kutsche brauche. Ich schicke sie zurück, so schnell es mir möglich ist, zusammen mit Kutscher und Lakai.
    Eure Dienerin
    Miss Amelia Jesmire
    Sobald es Nacht wurde, schlief Loveday im Gasthof ein. Er schlief unruhig, bis er auf einmal die Augen in der Dunkelheit weit aufriss. Ein Geräusch hatte sich bis in seine Träume vorgewagt und ihn geweckt. Er lauschte und blinzelte langsam. Neben ihm schnarchte leise der Kutscher, den dunklen Kopf mit dem Mantel zugedeckt. Das Geräusch, das ihn aufgestört hatte, ertönte wieder. Es war das an- und abschwellende Krähen eines Babys. Loveday lauschte und begriff, dass dieses arme, kleine Wesen sich fürchtete. Das Weinen wurde immer lauter, bis es in seinen Ohren gellte. Er zog sich den Mantel über die Ohren, drehte sich auf die Seite und kniff die Augen fest zusammen. Das war nicht gut. Der Laut schien direkt auf der anderen Seite der dünnen Wand zu sein. Das Baby schluchzte und schnappte nach Luft und begann erneut, ohrenbetäubend zu kreischen.
    Aufgeregt stand er auf und durchquerte den Raum. Er öffnete die Fensterläden. Draußen war die Luft noch warm und roch nach Meer und beißendem Baumsaft. Der Mond war voll und hing tief über den Dächern.
    «Mutter Fula»
, begrüßte er die Silberscheibe mit einem Flüstern. Sie war nackt und ohne Mitleid, warf ihre üppigen Silberstrahlen auf die schlafende Stadt. Das Schreien des Babys wurde leiser und schwermütig, bis es nur noch ein herzzerreißendes Schluchzen war. Es konnte von überall her kommen; das Gasthaus lag in einer engen Gasse, und andere Gebäude drängten sich darum herum.
    Unentschlossen lief er auf leisen Sohlen zur Tür und überlegte, ob er die Mutter des Kindes finden konnte. Die Person, deren Liebe das Kind beruhigen würde. Aber vor der Kammer fand er nur weitere Türen, und egal wo er das Ohr an das grobe Holz legte, schien das Weinen leiser zu werden. Ein Rätsel, aber zugleich wusste er, dass es mehr war. Sein
manger
war merkwürdig erregt. Dieser Laut … Hatte er das Weinen nicht schon den ganzen Tag über gehört, übertüncht von den Geräuschen der Stadt? Schon am Morgen zwischen

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