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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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einfach nicht bedacht, wie viele Jahre ich schon Erfahrung darin habe, wertvolle Dinge vor dem Zugriff irgendwelcher Langfinger zu schützen.
    Ehe ich ging, ließ ich für Kitt eine Nachricht zurück, die nur er verstehen konnte. Keinen handgeschriebenen Brief, der vor einem Richter gegen mich verwendet werden und aufgrund dessen man mich zum Tod am Galgen verurteilen konnte. Also zog ich das rosarote Kleid aus meinem Bündel und kleidete die hölzerne Schneiderpuppe meiner Herrin damit ein. Ob er sich noch an unseren Abend in Paris erinnert, als ich das Kleid trug?, überlegte ich. Unten in der Küche fand ich Carla, die in einem Stuhl ein Nickerchen machte, während das Baby zufrieden an ihrer Brust schnaufte. Sie öffnete die verschlafenen Augen und riss beim Gähnen den Mund weit auf. Sie war keine ordentliche Dienerin, denn seit dem Morgen hatte sie nichts geschafft.
    «Iss, worauf du Hunger hast. Dann pack deine Sachen. Zuerst muss ich noch mal weg, und später gehen wir alle zusammen», sagte ich.
    «Wohin gehen wir, Herrin?»
    Ich zuckte mit den Schultern. «Kann ich nicht sagen. Carla, du lässt keinen ein.
Capisci

    «
Si
, Signora.» Der zärtliche Kuss, den sie auf Evelinas Köpfchen drückte, ließ mich ihre liederliche Art vergessen.
    Die letzte Fuhre der Beerdigungsküchlein lag noch immer auf dem Küchentisch verstreut. Der Geruch nach Ambra stieg von den Küchlein auf und war so würzig und süß, dass er wie scharfer Branntwein in meiner Kehle biss. Mit dem Rücken zu Carla brach ich die Küchlein einzeln auf, bis ich den Rubin dort fand, wo ich ihn vor gierigen Blicken eingeschlossen hatte. Nachdem ich ihn mit klarem Wasser abgespült hatte, sah man ihm nicht an, dass er im Ofen gebacken worden war. Dieser verfluchte Stein hatte nichts als Unglück über jene gebracht, die ihn einst besaßen. Wieder oben, schob ich die Rose von Mawton vorne in das rote Kleid, zusammen mit Kitts Brief aus Marseille. Er würde bestimmt auch ohne erklärende Zeilen wissen, dass der Rubin ihm gehören sollte, oder?
     
    Es wurde spät. Ich wusch mir den Kopf und sah, dass der kühlende Umschlag seine Arbeit getan hatte. Die Holunderblätter hatten die Schwellung abklingen lassen. Ich besaß nur noch eines von Carinnas Kleidern, das ich tragen konnte, und den dunklen Mantel, den ich in meiner Kammer aufbewahrt hatte. Dann wurde ich nervös, weil es schon so spät war. Ob er überhaupt kam? Mr. Lovedays Nachricht hatte ihn vielleicht nicht erreicht, oder schlimmer: Er hatte sie zwar gelesen, doch sein Herz vor mir verschlossen. Ich eilte über die Straße und flüsterte kurze Gebete, dass er bitte kommen möge. Als ich den Turm erreichte, hämmerte mein Herz wie eine Trommel.
    Niemand wartete dort auf mich. Ich fragte mich, ob ich mich in der Zeit geirrt hatte, und im selben Moment schlug die Kirchturmuhr zehn. Über mir flitzten Fledermäuse schneller durch die Nacht, als ich gucken konnte. Ich lehnte mich gegen die warme Steinwand und versuchte, gleichmäßig zu atmen, obwohl ich tief in meinem Innern ein aufgeregtes Flattern spürte. Er wird nicht kommen. Wie Hammerschläge hallten die Worte in meinen Ohren. Ich verschluckte mich an einem ersten Schluchzer. Wenn ich jetzt Schwäche zeige, wird mir das auch nicht helfen, redete ich mir ein. Ich musste nur noch einen Tag lang stark sein. Ich lauschte, ob ich ihn kommen hörte, aber einzig das Rascheln der Tiere im trockenen Gras und das leise Knacken der Zapfen in den schwarzen Zypressen drangen an mein Ohr.
    Er wird nicht kommen, redete ich mir ein. Hier vor dem Turm stehend war die Vorstellung so schrecklich, dass sie wie ein großer, schwarzer Abgrund war, der mich zu verschlucken drohte. Ich weiß nicht, wie lange ich dort stand und von der Trostlosigkeit niedergedrückt wurde. Endlich hörte ich von der Straße Hufschläge. Ich hob den Kopf, obwohl ich vermutete, es sei ein Bauer, der vom Markt heimritt. Das Pferd blieb stehen. Ich hielt den Atem an. Dann hörte ich Schritte, und immer noch fürchtete ich, es müsse ein Fremder sein, vielleicht sogar Kitt Tyrone, der gekommen war, um den Mörder seiner Schwester zu finden. Schließlich trat eine große dunkle Gestalt auf mich zu. Ich erkannte die kantigen Schultern und den langsamen Gang.
    «Renzo?» Meine Stimme wurde von meinen ungeweinten Tränen erstickt.
    Ich weiß nur noch, wie ich einer Ertrinkenden gleich die Hand nach ihm ausstreckte. Dann lag ich in seinen Armen und fühlte mich zum ersten Mal seit

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