Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
Vom Netzwerk:
sie den Grabstein aufstellten. Als ich zurückkam, hoben sie ihn gerade auf das frische Grab; zweifellos hatte Mr. Pars für dieses rasch vollbrachte Stück ein ordentliches Sümmchen hingelegt. Ich drückte dem Priester eine Silbermünze in die Hand und verabschiedete ihn. Hastig lief ich zurück zum Haus, doch ich war nicht schnell genug und las die Inschrift, die von diesem schlechten Mann in Auftrag gegeben worden war:
    OBEDIENCE LEIGH
    Eine Dienerin aus Mawton Hall, Cheshire,
    die in Ombrosa am Karsamstag 1773
    im Alter von 22 Jahren verstarb
    Ich spürte die Gehässigkeit dieser Worte, als wären sie mir ins Fleisch geritzt worden. Aber mir gefiel der Bibelvers, den er darunter hatte eingravieren lassen, wenngleich er besser zu meiner Herrin als zu mir gepasst hätte. Immerhin hatte er gedacht, wir würden uns das Grab teilen:
    Wenn jemand will der Erste sein,
    der soll der Letzte sein von allen
    und aller Diener.
    Aller Diener! Das war ja mächtig christlich von ihm. Ich musste lachen, als ich meinen eigenen Grabspruch so vor mir sah. Nein, ich würde ihm verflucht noch mal nicht gehorchen, indem ich starb, wiederholte ich in Gedanken meinen Vorsatz. Trotzdem erschauerte ich, weil ich meinen Namen in Stein geschrieben sah. So würden alle, die herkamen, mich für tot halten.
     
    Ich saß für den Rest des Tages auf der Terrasse. Meine Gedanken rasten. Ich konnte noch gar nicht richtig fassen, was passiert war – meine Herrin tot und der alte Pars mit ihr begraben. Immer wieder blitzten die schrecklichen Bilder vor mir auf und waren wirklicher als die Terrasse. Wie eine teuflisch verzauberte Lampe, die sich nicht ausblasen ließ. Ich saß und saß dort und versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Wo geht es nun lang, Biddy Leigh?
    Langsam sank die Sonne, rund und rosig wie ein Pfirsich. Die Nacht tauchte die Zitronenbaumreihen in lange Schatten. Die Eisentore und die kalkweiße Straße verschwanden. Mein Kopf schmerzte noch immer, obwohl ich einen Umschlag gemacht hatte, um die Stirn zu kühlen. Ich legte mir ein Tuch um die Schultern, denn die Mücken umschwirrten und stachen mich.
    Ich wusste, ich sollte lieber verschwinden. Kitts Brief lag gefaltet in meinem Schoß. Kitt Tyrone. Der hübsche Kitt, mit den Knöpfen, die wie Goldmünzen funkelten, mit seinen süßen, vollen Lippen. Es hatte zwischen uns beiden eine Verbindung gegeben – damals in Paris waren wir einander zugeneigt gewesen.
    Das Geräusch trabender Hufe und eine quietschende Achse ließen mich aufblicken. Ich spähte in die Dunkelheit. Gott sei Dank trabten die Pferde vorbei. Im Haus hörte ich Evelina weinen, und Carla murmelte beruhigende Worte. Es war gut, das zu hören. Nach den schlimmen Tagen kam mir das wie ein Wunder vor.
    Vom anderen Ende des Tals klang der einzelne Halbstundenschlag von der Kirche in Ombrosa herüber. Ich stand auf und verscheuchte die Mücken. Es gab ein Schiff, das nach Dover segelte, hatte Mr. Loveday gesagt. Ich besaß genug Geld, um eine Überfahrt zu kaufen und mich in London, oder wo immer ich auch gerne bleiben wollte, niederzulassen. Na, hör mal, dachte ich – mit dem Geld aus der Schatulle kann ich sogar das Leben einer Lady führen und muss nie mehr einen Finger rühren. Ich könnte meine Tage oben in der plüschigen Welt aus Kristall und Seide verbringen und müsste nie mehr über die von Stiefeln ausgetretene Schwelle in die Küche gehen. Und Himmel, wie sehr ich mir das gerade wünschte. Das hieße aber auch, dass ich meine Karten geschickt ausspielen müsste. In Gedanken stellte ich mir vor, wie ich ein Leben als Carinna führte. Wie ich mein Geld für Mode und derlei verschwendete. Schon bald wäre das Geld aufgebraucht, und man würde mir kurz darauf keinen Kredit mehr gewähren. Ach, aber der rasante Absturz wäre ein Triumph.
    Ich wappnete mich für den Anblick des Gemachs meiner Herrin. Es dauerte nur wenige Augenblicke, um die Wiege wieder in eine unschuldige Holzkiste zu verwandeln. Eine rasche Überprüfung ergab, dass Mr. Pars alle Sachen meiner Herrin verbrannt hatte – die schönen Seidenstoffe und Federn aus Paris waren zu Asche zerfallen. Das machte mich krank. Er hatte ihr ganzes Wesen völlig verbrennen wollen. Doch anschließend hatte er die Asche durchsucht. Es war ihm also noch immer um den Rubin gegangen. Er hatte gewusst, dass er versteckt war, und zweifellos hatte er geglaubt, ihn in diesem Berg aus Tand zu finden. Nun, Mr. Pars, sagte ich in Gedanken zu ihm, Ihr habt

Weitere Kostenlose Bücher