Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
wir mussten schleunigst verschwinden. Ich eilte zurück zur Villa. Die Liebe beflügelte meine Schritte. Renzo würde innerhalb einer Stunde mit einer Kutsche eintreffen, denn er war schon seit längerem bereit, den Haushalt des Conte zu verlassen. Es gab keinen Grund mehr für Geheimnisse, hatten wir beschlossen. Als ich also die Schatulle nach unten trug, erzählte ich ihm, darin befinde sich der Rest des Vermögens meiner Herrin.
«Das ist gut», erklärte er. «Ich habe meinen Lohn ebenfalls gespart. Mit dem Geld können wir in der Stadt einen schwunghaften Handel aufziehen.»
Einen Handel! Ich küsste ihn voller Freude und umarmte ihn so heftig, dass er mich schließlich sanft von sich schob.
«Du bist ziemlich stark, liebe Bibi», neckte er mich. «Jetzt verstehe ich auch, warum du mich wie eine Python erdrücken kannst.»
«Ich werde dir schon noch zeigen, wozu diese starken Arme fähig sind, Signore.» Spielerisch gab ich ihm einen Klaps auf den Arm.
Er lachte und hob die Fäuste, als wäre er bereit zu einem Kämpfchen. «Ah, darauf freue ich mich schon, Signorina. Wir werden bald herausfinden, wer von uns der Stärkere ist.» Und dann pikste mich dieser Schlingel ganz vorsichtig genau dort, wo ich kitzelig war.
Bengo war bis zum Schluss eine echte Plage. Die letzten Kerzen waren ausgeblasen, die Türen verschlossen, und wir saßen bereits in der Kutsche. Aber dieser Quälgeist wollte trotzdem nicht mit uns kommen. Er versteckte sich im Speisezimmer, wo ich zu meiner unendlichen Scham nicht die Kraft gefunden hatte, das Ostermahl zu entfernen. Ich kniete nieder und gab mir alle Mühe, ihn mit einem Leckerbissen zu locken, aber er war wie toll und führte ein Freudentänzchen auf. Dann kroch er wieder mit ausgestreckten Vorderläufen auf mich zu, und wenn ich mich ihm näherte, rannte er wie ein überbrühtes Schweinchen im Kreis.
«Bengo! Wir lassen dich sonst hier», drohte ich. Um meiner Herrin willen wollte ich ihn nicht in diesem gottlosen Haus zurücklassen, aber als ich versuchte, ihn hochzuheben, schnappte er nach meinen Fingern. Also ging ich ohne ihn, denn Bengo hatte mich noch nie gemocht, und ich hatte mich nie um ihn geschert.
XXXVII Florenz, 1773 bis 1777
Signora Bibiana Cellinis persönliche Aufzeichnungen
CELLINI
GRANDE CONFETTIERI AM MARKTPLATZ ZU FLORENZ
Produzieren und bieten jede Art von Zuckerwerk, zum Erwerb oder zur Miete, hergestellt aus formbarer Zuckermasse nach höchst geheimen Rezepten, arrangiert zu Skulpturen und Palazzi, Siegeszügen und Tempeln.
Jede denkbare Art von Keksen und Kuchen, kostbare Früchte und Konfekt, Eiscremes mit Obst und Sahne, aufs kunstvollste serviert.
Außerdem arrangieren wir vielerlei Unterhaltungen, wir verkaufen Blumenrahmen, Glasarbeiten, Verzierungen, Springbrunnen und Kandiszucker, sodass jeder Banketttisch mit jedem nur denkbaren Wunder für Auge und Gaumen geschmückt werden kann.
I ch kann nicht behaupten, dass es mich sonderlich interessierte, wohin wir fuhren. Wir quetschten uns mit all unseren Besitztümern in Renzos Kutsche und zurrten die Koffer auf dem Dach fest. Carla und das Baby hockten mit dem Jagdhund Ugo neben sich auf dem Kutschenboden. Renzo und ich jedoch hatten nur Augen, Hände und Lippen füreinander. Wir hätten auch vom Rand der Welt kippen können, und es wäre mir egal gewesen, solange er nur an meiner Seite war. Während der ersten Stunden erzählten wir leise von unseren Leben, unseren Hoffnungen und Träumen. Nie hatten zwei Menschen besser zueinander gepasst, denn mein Liebster war nicht nur der beste und klügste Mann, sondern wir hatten auch ein Ziel, das uns seit unserer Geburt verband, die uns mit nichts als Lumpen und Mondlicht in diese Welt geworfen hatte. Ich hatte mein Leben lang auf diesen Mann gewartet und oft geglaubt, die Liebesballaden seien nur das Wolkenkuckucksheim der Narren. Aber dieser Mann war aus Fleisch und warmem Blut. Als der Morgen dämmerte, wollte ich nicht schlafen, weil ich fürchtete, aufzuwachen und herauszufinden, dass alles nur ein Traum gewesen war.
Als wir am nächsten Morgen in einem Gasthaus haltmachten, ließ Renzo nach einem Priester schicken. Arm in Arm folgten wir der schlurfenden Gestalt durch einen schattigen Wald; die ganze Zeit wunderte ich mich, weil ich plötzlich diesen großen Schritt tat. Hatte ich den Verstand verloren? Ich klammerte mich an einen Mann, den ich kaum kannte, und wir standen in einem Wald Gott weiß wo. Die mahnenden Worte aus
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