Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
Vom Netzwerk:
hast.»
    Du meine Güte! Ich vergrub das Gesicht in den Händen bei der Vorstellung, wie sich alle das Maul über meine Privatangelegenheiten zerrissen. «Hör auf, ich schäme mich ja zu Tode!», rief ich und schaute zwischen den Fingern hindurch.
    «Ich will damit doch nur sagen, Mädchen, wenn du unterwegs bist und in den Gasthäusern bei den Schankjungen und den Burschen und solchem Gelichter schläfst, musst du deinen Preis sicher unter den Röcken hüten.»
    Daraufhin musste ich nun doch lachen. «Meinen Preis?»
    «Du weißt genau, was ich meine. Dein größter Schatz – der nichts mehr wert ist, wenn du ihn erst mal hergegeben hast.»
    «Natürlich werde ich aufpassen. Bin ja nicht dumm.» Ich hätte noch hinzufügen können, dass ich es immerhin geschafft hatte, meinen Preis einen fiebrigen Sommer lang vor Jem zu beschützen, da würde ich ihn wohl kaum an einen Schankjungen verschenken, der mit gespaltener Zunge zu mir sprach.
    «Und schließlich möchte ich dich um Folgendes bitten. Schreib für deine alte Freundin alles auf, Biddy. Erzähl mir, was du siehst, wem du begegnest und vor allem: was du isst. Schreib mit Bedacht alles auf und fertige eine Kopie von den Rezepten an, wenn du kannst. Wenn ich bloß zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich für die Möglichkeiten, die sich dir nun eröffnen, alles geben. Also enttäusche mich nicht. Beobachte, lerne und schmecke für mich, Mädchen. Es ist höchste Zeit, dem Buch neue Rezepte hinzuzufügen.»
    Und so händigte meine liebe Mrs. Garland mir das Buch aus – das
Schatzbuch der Köchin
, das von so vielen Händen bereits gefüllt worden war: von Lady Maria, ihren Freundinnen, Köchinnen und Nachbarinnen. Meine Führerinnen aus der Vergangenheit, die ihre schönen, ersonnenen Rezepte erprobt, perfektioniert und aufgeschrieben hatten. Und sie hatte neue, weiße Seiten eingenäht, um die Rezepte aufzunehmen, die ich erst noch entdecken würde.
     
    An jenem Abend lief ich mit Jem zum Reade Cottage. Oder sollte ich besser sagen, dass er meinen Arm nahm und mich dorthin führte? Mir war ganz elend vor Traurigkeit. Als wir das einsturzgefährdete Gebäude erreichten, ließ mich allein der Anblick unserer zerstörten Hoffnungen in Tränen ausbrechen. Pars Fold war wohl das schönste Tal in dieser Gegend, und die nächste zollpflichtige Überlandstraße ganz in der Nähe. Das Gebäude stand im Schatten einiger Birken. Manche sagten, das Haus gehörte der Familie Pars, so lange man denken konnte. Doch Sir Geoffrey hatte es dem alten Mr. Pars abgekauft und das Land den Gütern von Mawton einverleibt. Unser Steward sprach nie darüber, doch wenigstens blieb ihm als Verwalter von Mawton der Trost, das Land zu bewirtschaften. Unser Traum war, dieses Haus zu pachten und es zu einem florierenden Wirtshaus auszubauen. Hier wollten wir leben und zu Wohlstand gelangen.
    «Ist ja nur ein Jahr, Süße», tröstete Jem mich. Meine Ängste kümmerten ihn nicht besonders. «Ist schnell vorbei, wirste schon sehen. Denk nur, dann sind wir fürs Leben gerüstet. Dann krieg ich mein Wirtshaus», meinte er und ballte voller Freude die Hand zur Faust.
    Ich dachte an Mrs. Garland, die ihn für einen wertlosen Taugenichts hielt, und schüttelte den Kopf. Und dann küsste er mich auf die Lippen, und seine Zunge, die nach Weizen und süßem Fleisch schmeckte, vergrub sich in meinem Mund. Trotzdem spürte ich nur den Schmerz, denn ich hatte so schreckliche Angst, ihn zu verlieren. Der Zauber, den ich um Jem herum gewoben hatte, benötigte meine tägliche Aufmerksamkeit. Ich konnte ihn von jenseits des Kanals nicht länger nähren. Küsse ließen sich ja nicht in eine Schüssel legen und verschicken.
    «Wir müssen weglaufen», flehte ich und ergriff seine Hände. Ich erklärte ihm, wir müssten unbedingt heiraten und dann in eine größere Stadt ziehen, um dort Arbeit zu finden. «Ich könnte mich nie von dir trennen, Jem. Ich kann einfach nicht fort.»
    Aber er konnte kaum aufhören zu grinsen. Er war ein Mann, der vom goldenen Blinken der Guineen geblendet wurde. Und Mr. Pars hatte ihm zudem einfache Arbeit versprochen, während ich ein langes Jahr unterwegs war.
     
    Sie sagen, es sei die Nacht mit ihren trostlosen Träumen, die ein Herz in die Verzweiflung treiben, und sobald der neue Tag heraufdämmert, keimt Hoffnung auf. Das schien auch auf mich an meinem letzten Morgen in Mawton zuzutreffen. Ich wachte in der Küchenecke auf, weil die Stallburschen lärmten. Kaltes

Weitere Kostenlose Bücher