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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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müssen. Meine Herrin sorgte sich also um mich, trumpfte ich in Gedanken auf, und der alte Hausdrache musste die bittere Pille schlucken, ob er wollte oder nicht. Endlich ließ ich mich in die weichen Polster der Kutsche sinken und konnte meine Füße ausruhen. Im Innern war es duster und beengt, aber wenigstens blieb ich trocken. Dann knirschten die Räder auf dem Kies, und wir waren unterwegs. Sobald die Pferde in Bewegung kamen, empfand ich die Reise tausendmal bequemer als in einem offenen Karren.
    Die Trennung von Mawton jedoch bedeutete für mich großen Herzschmerz. Ich fuhr rückwärts und musste zusehen, wie sich die Straße einem Band gleich hinter der Kutsche entrollte. Als wir durch den Park glitten, sah ich eine Gruppe Arbeiter, die in einiger Entfernung die Hecken schnitten, und darunter war ein blonder Schopf. Ich sprang von meinem Sitz auf und flüsterte «Jem!» gegen das regenbenetzte Fenster, ehe ich mich selbst davon abhalten konnte.
    «Du meine Güte, halt die Klappe», bellte meine Herrin. «Schlimm genug, dass ich dieses Geschaukel aushalten muss. Setz dich hin.»
    «Als ich noch ein junges Mädchen war», verkündete Jesmire munter, «hätte ein Wesen wie das hier in meiner Gegenwart nicht einen Mucks zu sagen gewagt.»
    Ich erinnerte mich wieder an das Versprechen, das ich Mrs. Garland gegeben hatte, meine Zunge zu bezähmen und mich nicht mit den hohen Herrschaften anzulegen. Dem Himmel sei Dank, denn schon nach einer Stunde waren beide eingedöst, sodass ich allein unseren Reiseweg verfolgte. Wir passierten eine lange Reihe von Lasttieren, die auf einem Hügel Pause machten. Ich sah die vom Regen durchnässten Pferde vorbeiziehen, die in ihrem Geschirr wie ehrwürdige Statuen verharrten. Später holperten wir an zwei gebeugten Reisenden vorbei, die ihr Gepäck durch den Schlamm eines ausgedehnten, völlig verlassenen Moors zerrten. Diese beiden Gestalten hätten auch Jem und ich sein können, mit unserer weltlichen Habe auf dem Weg in eine fruchtbare gemeinsame Zukunft. Wenn Jem und ich doch nur fortgelaufen wären, um zu heiraten, jammerte ich still vor mich hin. Ich zog meine Kappe tief in die Stirn und weinte wie ein Käsesack, aus dem ohne Unterlass die Molke tropfte.
     
    Als ich aufwachte, erfüllte das kupfrige Strahlen der untergehenden Sonne die Kutsche. Jesmire schlief noch. Ihr Kinn war fast bis auf ihre knochige Brust gesackt. Aber Mylady war schon wieder hellwach. Ich konnte wenig von ihrem Gesicht erkennen, da Schatten darauf fielen, doch ihre Augen beobachteten mich.
    «Also, Biddy», sagte sie. «Wo kommst du eigentlich her?»
    «Ich, Miss? Ich meine, Ihre Ladyschaft.» Ich war ehrlich überrascht, dass sie das Wort an mich richtete. «Von nirgendwo Bestimmtes.»
    Ihr Gesicht war nun ein cremeweißes Oval, doch die klaren Augen strahlten mich an. «Du musst doch irgendwo herkommen, sollte man meinen.»
    «Der Ort heißt Scarth, Melady. Nichts Besonderes.»
    Sie schnaubte ziemlich laut. «Der Ort ist nicht sehr besonders, so solltest du das sagen.»
    «Da is nichts Besonderes, wie Ihr sagen tut.»
    Da lachte sie mir ins Gesicht, aber ich war nicht sicher, ob das nett gemeint war. «Es muss doch eine Familie geben? Erzähl mir von ihr.»
    Dieses Mal zerbrach ich mir nicht nur den Kopf über die Antwort, sondern strengte mich richtig an. «Also, da gibt’s nicht viel zu erzählen, Miss – Melady. Nur meine alte Ma, also meine Mutter, und meine Schwester Charity.»
    «Charity ist ein sehr komischer Name.»
    «Ja, Melady. Mein Vater hatte da so nen Tick mit den Namen.»
    «Biddy. Das steht für Bridget?»
    Mein Gott, jetzt kommt’s raus, dachte ich. «Für Obedience», murmelte ich zu leise, als dass sie es verstehen konnte.
    «Wie war das?»
    «Obedience, Melady, Gehorsamkeit.»
    Und sie lachte wieder ihr dunkles Lachen und erklärte: «Sehr passend, das will ich meinen. Obedience, du hast aber eine sehr kleine Familie. Was ist mit deinem Vater?»
    «Er nannte sich selbst nen Kuhdoktor. Hat Vieh verarztet. Aber er treibt sich rum, wie er grad Lust hat, Melady.»
    Sie schwieg für einen Moment, und darüber war ich froh, denn ich erzähle nicht gern von meinem alten Herrn. Er hatte mich nach seiner bibelgläubigen Mutter benannt. Er fand, er sei selbst ein aufbrausender Abweichler, aber das Einzige, dem er auswich, war ehrliche, harte Arbeit. Er kam nur heim, um meine Ma anzupumpen, machte ihr gleich noch das nächste Kind und war bald wieder unterwegs. Eine Dame wie Carinna

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