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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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wie ich, doch sie hatte all die schönen Kleider und die guten Umgangsformen, die man in London pflegte. Und wie in
Goody Two Shoes
hatte sie sich einen alten reichen Mann geschnappt. Aber wichtig war nur, dass ich jetzt bei ihr war. Sie war gar nicht wie das brave, arme Mädchen aus
Goody Two Shoes
. Davon war ich zumindest überzeugt.
     
    Stimmen weckten uns. Vor den Fenstern glommen Lampen auf, und Knechte kümmerten sich um die Pferde. Diener eilten herbei, um unsere Truhen zu schleppen. «Kommt nur herein, ihr guten Leut», lockte der Gastwirt, und in einem wilden Durcheinander wurden wir zu dem munter flackernden Feuer geführt, wo bereits Krüge mit dampfendem Ale für alle außer mich und die anderen niederen Diener warteten.
    An jenem Abend befahl meine Herrin mir, ihr am Tisch in ihrem privaten Speisezimmer aufzuwarten. Ich hatte zwei linke Hände, weil mein Magen knurrte. Das Lamm, die Rinderbrust und die Ente dufteten zu verführerisch. Sobald Lady Carinna, Jesmire und Mr. Pars sich erhoben hatten, durften Mr. Loveday und ich über die Reste herfallen. Halb erkaltet schmeckte es sogar noch besser. Das Lamm war süßlich, rosig gebraten und mit eingelegten Kapern gespickt.
    «Wo kommst du denn her, Mr. Loveday?», fragte ich zwischen zwei Bissen. «Aus China oder aus Afrika?»
    Er fuhr mit der Zunge über die glänzend weißen Zähne. «Du nicht weit gereist, Miss Biddy. Ich komme von Insel hinter Batavia, wofür weiße Leute keinen Namen haben. Insel von Feuer.»
    Später, als er die letzten Brocken Käse verteilte, schaute er mich ziemlich schräg an. «Miss Biddy, du sagst, wir Diener Freunde?»
    Ich erklärte ihm, das sei richtig.
    «Ich gehe heim eines Tages», sagte er und hob den schlehenschwarzen Blick. «Ich gehe zurück zu meiner Frau und meinem Sohn.»
    «Du musst aufpassen, was du hier sagst», zischte ich. «Denn du gehörst jetzt Lady Carinna.»
    «Sie besitzt mich», sagte er und wirkte ziemlich elend. «Aber vielleicht sie verliert mich wieder, Miss Biddy? Du glaubst, ein Mann geht verloren und wird vergessen?»
    «Vielleicht. Aber es wäre ein Verbrechen, wenn du absichtlich zurückbleibst. Das wäre so, als wenn du ihr etwas Wertvolles klaust. Dafür könnte man dich aufhängen.»
    «Was das heißt?»
    Also erzählte ich dem armen Kerl vom Galgen, und wie die Leute zusammenströmten, um zu sehen, wie ein Körper zuckte und starb. Er wirkte so verängstigt, dass ich seinen Arm drückte.
    «Du passt jetzt einfach auf, Mr. Loveday», sagte ich. «Und dann vertraust du mir deine Überlegungen an, ehe du irgendwelche Dummheiten begehst.»
    Er nickte, und dabei beließen wir es. Mr. Loveday war jetzt mein einziger Freund, und wir mussten aufeinander achtgeben.
     
    Später sah ich einer alten Schankmaid dabei zu, wie sie einen Punsch aus Branntwein kochte, und merkte mir das Rezept, weil Ihre Ladyschaft erklärte, das schmecke ihr. Ich probierte etwas von dem Bodensatz, als ich mich erbot, die leeren Gläser in die Küche zu bringen. Der Punsch schmeckte leicht und süß, und er wärmte mich, wie eine Messingpfanne das kalte Bett wärmt. Und weil ich an diesem Abend sonst keine Pflichten hatte, ging ich in meine Kammer und knotete mein Bündel auf. Es bereitete mir ein trauriges Vergnügen, meine wenigen Besitztümer zu sichten. Weil ich nicht sicher war, was ich sonst schreiben sollte, machte ich eine Liste mit all den Dingen, die ich auf der Welt besaß.
    Ein Kamm
Ein Unterrock
Ein Flanellkleid
Meine Nachtmütze und eine Haube für den Tag
Ein Unterhemd
Ein rosa Schleifenband, das Jem mir auf dem Jahrmarkt in Chester gekauft hat
Lady Marias Silbermesser an einer Kette
Ein Gebetsbuch, von Witwe Trotter signiert
Ein Bild, aus einer Zeitung geschnitten, das mich an das Gesicht meiner Mutter erinnert
Das Haushaltsbuch, genannt Das Schatzbuch der Köchin , eingewickelt in ein Stück Barchent
Federn und Tinte als Geschenk von Mrs. Garland
Mein Nähtäschchen mit wertvollen Haarlocken, in ein Stück Leinen gewickelt
Strümpfe und Bindfaden
Ein Pfund, drei Shilling und dreieinhalb Pence
Das rote Seidenkleid nebst Unterrock, das Lady Carinna mir geschenkt hat

Anschließend schrieb ich das Rezept für den Branntweinpunsch auf. Dann legte ich mich hin und dachte an Jem, der irgendwo am anderen Ende der nächtlichen Straße auf mich wartete. Ich wünschte so sehr, ihn nicht im Zwist verlassen zu haben. Aber nach wenigen Augenblicken schlief ich schon tief und fest wie ein Siebenschläfer.

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