Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
Vom Netzwerk:
zur Tür meiner Herrin trug. Dennoch sah ich, dass mindestens eine Scheibe von dem getränkten Kuchen verschwand. Ich jedenfalls kannte meine Herrin inzwischen gut genug. Ihrem süßen Zahn musste sie immer nachgeben.
    Nach dem Essen stand Mr. Pars auf, weil er noch etwas Geschäftliches mit meiner Herrin zu erledigen hatte. Wir anderen ließen uns vom Feuer im Hinterzimmer wärmen und dösten vor uns hin. Als wir den Lärm aus der Kammer meiner Herrin hörten, sprangen wir wie verwirrte Schafe auf. Erst hörten wir Mr. Pars leise sprechen, und darauf schrie Ihre Ladyschaft so laut, als wollten ihre Lungen platzen. Ich wollte wissen, was da los war, deshalb tat ich, als müsste ich aufräumen, und lungerte im Gang herum. Ich konnte nicht ein Wort von Mr. Pars’ Rede verstehen. Nur so viel begriff ich, dass er sich über etwas beklagte. Aber die hellere Stimme meiner Herrin drang durch die Wand. Sie schrie: «Das werdet Ihr gefälligst tun!» Und: «Ich kann nicht? Und wie ich das kann!» Mr. Pars’ Worte waren wieder unverständlich, und dann kreischte sie: «Verschwindet! Raus hier!» Die Tür flog auf, und mir blieb kaum genug Zeit, mich zu verdrücken.
    Als ich zurück ins Hinterzimmer kam, hatte Mr. Pars sich wieder in den tiefen Sessel vor dem Feuer gesetzt und klagte den anderen sein Leid. «Sie sagt, wir alle werden unsere Stellung verlieren. Sobald die Kutsche instandgesetzt ist, muss ich euch alle zurück nach Hause bringen, während sie allein nach London weiterreist.» Als ich ihm seinen Krug anbot, umklammerte er ihn so fest, dass die Knöchel weiß wurden.
    «Nun, ich für meinen Teil bin damit einverstanden», erklärte George. «Sie ist schlimmer als die Mutter eines Hundes.» Er hatte sich direkt über dem Feuer auf den Sims gehockt und sah wie eine große, rosige Muttersau aus. Die Stiefel hatte er abgestreift, und seine feuchten Strümpfe dampften.
    «Halte deine Zunge in Gegenwart einer Dame im Zaum, George.» Mr. Pars blickte in Jesmires Richtung. Dann atmete er tief durch und kniff für einen Moment die Augen zusammen. Ich hatte ihn noch nie wütender erlebt als in dem Moment. Er fuhr über seine Bartstoppeln und starrte ins Feuer. «Und wenn sie dir deine altgediente Stellung als Kutscher in Mawton auch noch nimmt?» Er spuckte in die Flammen und funkelte den alten Kutscher an. George wirkte einen Moment ratlos, ehe er verwirrt die Stirn runzelte.
    Was mich betraf – nun, was kümmerte es mich, wenn ich meine Anstellung verlor? Jem und ich könnten dann bestimmt in der Stadt Arbeit finden und bald heiraten. Doch was war dann mit meinem Bonus über fünf Guineen?
    Wir schwiegen lange, und das Feuer knackte.
    Schließlich ergriff Jesmire das Wort. Sie setzte ein überlegenes Lächeln auf. «Mr. Pars, bitte seid mir nicht böse, aber ich kenne mich zufällig besser mit diesen Dingen aus. Darf ich wohl darauf hinweisen, dass jene
Entlassungen
eine ständige Drohung von ihr sind? Es liegt mir fern, schlecht über sie zu reden, aber sie hat leider nur ein beschränkt höfliches Benehmen. Ständig setzt sie sich irgendwas in den Kopf. Ihre Launen ähneln dem Wetter im April. Es ist eine Tatsache, dass sie ohne uns nicht die geringste Ahnung hätte, wie sie nach London kommen soll. Bis zum Morgen wird sie ihre voreiligen Worte zweifellos vergessen haben.»
    Mr. Pars quittierte dies mit einem Kopfnicken, aber er war immer noch zornesrot.
    «Ist wohl das Beste, wenn wir’s vergessen, Mr. Pars», sagte der alte George friedfertig. Schon bald darauf begaben die anderen sich zur Ruhe, und ich begann aufzuräumen. Aber unser Steward blieb sitzen. Sein stämmiger Körper hing kraftlos in dem Sessel, seine Gesichtszüge waren angespannt, und er schob tief in Gedanken versunken die Unterlippe vor. Als ich seinen Krug nahm, trafen sich unsere Blicke.
    «Eins kam mir merkwürdig vor», sagte er. «Deine Mistress hat etwas sehr Seltsames gesagt. Ich wollte das nicht vor den anderen erzählen.» Vom Alkohol klang seine Stimme schleppend, denn er hatte sich am Vorrat des Wirtshauses reichlich gütlich getan.
    «Und was genau ist das, Sir?», fragte ich. Meine Finger verkrampften sich, weil ich versuchte, mehrere Krüge auf einmal zu tragen.
    «Sie würde uns alle entlassen – bis auf dich.» Er blies eine Rauchwolke aus und blickte mich an. «Ich frage mich schon den ganzen Abend, warum sie sich so viel aus unserer Biddy Leigh macht.»
    Ich war eigentlich zu erschöpft, um darüber nachzudenken.

Weitere Kostenlose Bücher