Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
den Wald mit seinen Strahlen. Im bleichen Licht sah er einen Mann, der in einer Entfernung von zwanzig Schritten mit einem Stock auf ihn zeigte. Das sah so dumm aus, doch selbst wenn er den Stock warf, hätte er Loveday am anderen Ufer nicht damit erreicht. Doch dann brach zu seiner Überraschung an der Spitze des Stocks ein blendendes Licht aus. Ein Donnerschlag folgte und erschütterte seine Welt. Eine unsichtbare Faust schlug gegen seine Brust. Dann spürte er, wie er rücklings zu Boden geworfen wurde und alles Leben aus ihm entwich. Beißender Rauch stieg ihm in die Nase. Seine Gliedmaßen fühlten sich so leblos an wie Steine.
Für sehr lange Zeit gingen seine Gedanken ziellos hierhin und dorthin. Als er wieder zu Bewusstsein kam, klammerte er sich an eine Baumwurzel, als wäre sie seine letzte Rettung, die ihn am Leben hielt. Eine offene Wunde an der Schulter peinigte ihn, seine Glieder waren steif und schmerzten. Langsam drangen die Laute aus dem Wald wieder zu ihm durch. Aber was er zuerst wahrnahm, waren die schrecklichen Schreie in der Ferne, von denen er glaubte, das seien die Vögel.
Es waren keine Vögel. Obwohl durch die Entfernung gedämpft, erkannte er das Kreischen und Klagen von Menschen. Ohne Vorwarnung zerschnitt ein Schrei wie von einem geopferten Schwein die Nachtluft. Loveday krümmte sich am Boden zusammen.
Jenseits des Waldrands mussten schreckliche Dinge vor sich gehen. Er stellte sich vor, wie Bulan und Barut litten, und er wand sich voller Selbsthass. Er war ein Jäger, ein tapferer Mann, ein Gefährte und Vater. Doch in dieser Nacht war er nichts von alledem. Während er auf dem Waldboden lag, flackerte sein Mut ein letztes Mal auf und erstarb. Diese weißen Zauberer hatten ihn verflucht. Sie hatten aus einem Mann einen schwächlichen Feigling gemacht.
Schließlich zwang er sich aufzustehen und von einem Baum zum nächsten zu stolpern. Er umfasste die Harpune und stützte sich darauf, wie ein alter Mann auf einen Stock. Am Dorfrand blieb er lange stehen, und die Fäuste krampften sich vor Angst zusammen. Er bebte vor Kälte und fühlte sich sehr krank.
Der Banyanbaum in der Mitte des Dorfs, die Hüttendächer, alles verlor sich in der Schwärze. Er kämpfte sich im Krebsgang zur Halle des Häuptlings vor. Er war nur wenige Schritte weit gekommen, als sein Fuß gegen etwas Warmes und Festes stieß, etwas wie ein schlafender Hund. Auf die Harpune gestützt ging er ganz langsam in die Knie und streichelte das Tier. Es war ganz weich und haarlos. Als seine Finger über ein dickes Bein glitten, spürte er etwas klebrig Warmes. Er versuchte aufzustehen, und in dem Moment hörte er irgendwo im Dunkeln ein metallisches Klicken. Dann öffnete sich eine Sturmlaterne, und Loveday blinzelte in das goldene Licht in der Hand eines weißen Mannes.
Ich bin ein Jäger, sagte er sich. Ich bleibe standhaft. Der Mann hinter der Laterne war das Narbengesicht. Er zerrte mehrere Frauen hinter sich her, die alle an den Händen gefesselt waren. Eine der Frauen war seine geliebte Bulan. Ihr schönes Gesicht war nur noch eine Maske der Angst. «Mann!», schrie sie ihm zu. «Hilf mir!» Sein hektischer Blick ging zu Boden, wo ein Dutzend Leichen gekrümmt auf dem Dorfplatz lag. Die Leiche direkt vor seinen Füßen war Häuptling Korohama. Sie hatten ihm die Kehle durchgeschnitten, und er starrte aus toten Augen zu den Sternen hinauf. Während er sich im Wald versteckt gehalten hatte, waren diese ehrenvollen Männer im Kampf für ihr Dorf abgeschlachtet worden.
Obwohl er vom Licht fast geblendet wurde, versuchte Loveday, sich mit derselben majestätischen Anmut zu erheben, mit der er auch am umtosten Bug seines Boots stand. Er wollte die Harpune in die Höhe reißen und auf den weißen Mann richten. Die Worte seines Bapa kamen ihm wieder in den Sinn: «Bleib standhaft.» Obwohl sein Arm wie ein Segel im Wind zitterte, zielte er mit der Spitze der Harpune genau auf die Kehle des Mannes. Er frohlockte, als er den Arm zurücknahm, um all seine Kraft in den Stoß zu legen. Innerhalb eines Herzschlags würde der Mann tot sein.
Erneut traf ihn der Feuerblitz und warf ihn gegen die Wand einer Hütte. Zu seiner Überraschung lag er schon wieder im Dreck, diesmal direkt auf Häuptling Korohamas Leichnam. Seine Schande war so groß, dass er nie wieder aufwachen und weiterleben wollte. Er gab seinem Geist die Erlaubnis, seinen Körper zu verlassen und sich auf die Suche nach seinen Vorfahren zu begeben. Bulan und Barut
Weitere Kostenlose Bücher