Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Pferde trabten nun wieder schneller auf uns zu. Sehr leise flüsterte ich ihm zu: «Wenn der richtige Moment kommt, sorge ich dafür, dass du fortgehen kannst.»
Er zögerte immer noch und fuhr mit den Fingern über seinen Mund. Schließlich nickte er und grinste. «Ich glaube dir, Miss Biddy. Du Einzige, die Versprechen einhält. Ich spüre meinen Geist ohne schlechte Gedanken jetzt. Aber du vorsichtig, meine Freundin.»
«Ich gebe mein Bestes. Ich muss nur dort hingehen und den Schlüssel holen. Sonst hab ich mit denen doch nichts zu schaffen.» Was nur zeigt, wie sehr man sich irren kann.
Wir erreichten Turin äußerst spät, denn meine Herrin beklagte sich sehr über die schaukelnde Kutsche, weshalb wir alle paar Meilen anhalten mussten, damit sie frische Luft schnappen konnte. Als wir endlich die Stadttore passierten, war die Straße mit einer Menge Soldaten verstopft, die alle hübsch zurechtgemacht waren mit blauen Mänteln und weißen Kniebundhosen. Der Anblick war so lebendig, dass sogar meine Herrin in ausgelassene Stimmung geriet. Sie schob die Scheibe des Kutschenfensters herunter, um besser sehen zu können. «Wartet! Ich habe im Gasthaus gehört, wir sehen vielleicht König Karl Emmanuel, der hier ist, um seine Truppen zu inspizieren. Er ist der Enkelsohn unseres König Charles, der damals den Kopf verlor. Bleibt stehen! Verdammt, ich will das sehen!», rief sie und hämmerte gegen das Kutschendach. Aus der Kutsche sah man wirklich nur wenig, weshalb sie der Idee verfiel, sich der Menge anzuschließen. Sie rief nach Mr. Loveday, damit er ihr aus der Kutsche half. Er und Mr. Pars gingen voran und machten ihr Platz, und dicht dahinter trottete Jesmire mit Bengo, der an seiner Leine zerrte. Da ich unser Gefährt jetzt für mich allein hatte, hing ich an der Tür und genoss die Trommelwirbel und den Jubel der Stadtbewohner.
Die Prozession hatte kaum begonnen, als ein großer Tumult ausbrach. Zu meiner Überraschung sah ich als Nächstes, wie meine Herrin das Bewusstsein verlor und zu Boden sank. Ich sprang aus dem Wagen und war schon bald bei Mr. Loveday und Mr. Pars, die große Mühe hatten, sie zu tragen. Als sie die Kutsche erreichten, war Lady Carinna Gott sei Dank schon wieder bei Sinnen. Doch sie war noch immer bleich wie ein Laken und schwitzte stark. Mr. Pars meinte, das müsse an der Hitze liegen, und er befahl Jesmire, die Stirn ihrer Herrin mit Eau de Cologne abzutupfen. Nur ich hatte so viel Mumm, ihr Korsett zu lockern und ihr frische Luft zuzufächeln, als wir wieder unterwegs waren. Selbst als wir das Gasthaus erreichten, war meine Herrin noch nicht wieder bei sich und hatte Probleme, ohne einen stützenden Arm zu gehen. Sie konnte gerade noch Mr. Pars anweisen, nach einem Arzt zu schicken, was ich hier in der Fremde doch sehr mutig von ihr fand. Also wurde nach einem Mediziner geschickt, obwohl Mr. Pars die ganze Zeit spottete, meine Herrin litte wohl an einem modischen Fieberschub und würde zweifellos einen Haufen Geld für nichts verschwenden.
Ich sah den Doktor nicht, als er kam, aber da ich diejenige war, die das hiesige Kauderwelsch am besten verstand, wurde ich an jenem Abend geschickt, die Medicin für meine Herrin zu besorgen. Inzwischen war es kurz vor Sonnenuntergang, und die Einwohner der Stadt waren auf den Beinen. Turin war eine mächtig große Stadt, sehr modern erbaut mit beeindruckenden Arkaden und großen, beflaggten Plätzen. Ich ließ mich mit den schwarzhaarigen Mädchen treiben, die ihre Hüften wiegten, ich sah brave Familien, die in Grüppchen unterwegs waren, und wir wurden alle von den alten, runzligen Weibern auf den Stufen vor den Häusern beobachtet. Ich lauschte angestrengt, um irgendwas von dem steten Geplapper zu verstehen, denn ich hatte bisher alles getan, um mein Italienisch zu verbessern. Von unserem grummeligen Kutscher bis zu den Schankmädchen in den Gasthäusern hatte ich mit jedem gesprochen. Es stimmte, dass die Sprache sich nicht so sehr vom Französischen unterschied – guten Tag hieß nicht
bonjour
, sondern
buongiorno
, und Brot hieß hier
pane
und Fleisch
carne
.
Im Haus des Arztes wurde ich in ein Zimmer geführt, das er als
farmacia
bezeichnete. Ein dunkler, holzgetäfelter Raum, in dem eine kolossale Sammlung Flaschen und Töpfe stand, die alle sorgfältig mit komischen Namen beschriftet waren. Während ein Diener für meine Herrin ein Medikament mischte, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf andere Besorgungen.
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