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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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wieder etwas Befehlsgewohntes mit. Aber so, wie sie es erzählt hatte, klang es ganz einfach. Ich holte nur diesen Schlüssel.
    «Er ist Euch wirklich noch nie begegnet?», fragte ich zögernd.
    «Niemals. Und er weiß nur sehr wenig über mich. Er fragt vielleicht nach meinem Onkel, mit dem er befreundet ist, aber da werde ich dich entsprechend instruieren.»
    Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Wie sollte ich sitzen, wie ihn ansprechen? Was sollte ich tun, wenn er über meine plumpen Versuche lachte?
    «Also, wenn ich ehrlich bin, Mylady, ich weiß nicht, ob ich … also, ob ich das kann.»
    «Hör mal. Du brauchst doch nur zu ihm zu gehen. Danach komme ich endlich zur Ruhe.» Sie musterte mich eingehend. Zwei rote, fiebrige Flecken glühten auf ihren Wangen. «Du hast es versprochen.»
    Ich drückte meine eisigen Finger an die Lippen und wünschte, wir hätten über all das nie geredet. Doch jetzt war es geschehen, und ich kleine Närrin musste mich auf diese Maskerade einlassen.
    Ich versuchte mein Bestes und sprach mit der affektierten, damenhaften Stimme, die sie mir anerzogen hatte: «Also, wenn es Euch so gefällt, mache ich es, werte Lady.»
    «Das ist meine Biddy. Mehr brauchst du gar nicht zu tun, sehr gut.» Sie tätschelte meinen Arm, als wäre ich ihr Hund, der gerade ein Kunststückchen vorgeführt hatte. Dann stand sie auf und verließ die Kirche. Ich schlich schwermütig hinter ihr her und folgte ihren im Schnee verwischten Spuren zum Wirtshaus.

XXIII
    D ie Straße vor ihnen wand sich zwischen den Klippen, die wie abgebrochene Zähne aufragten und sich mit schwindelerregenden Felsspalten abwechselten. Nie im Leben hätte Loveday sich einen so schrecklichen Ort ausmalen können. Die Jahreszeiten waren wie von Zauberhand einfach verschwunden. Der Regen war weiß gefroren wie Hühnerdaunen und bedeckte alle Pflanzen und überfror die Seen. Hilflos und voller Bestürzung hatte er zugesehen, wie die Kutsche auseinandergenommen wurde wie ein großer Kadaver, der zerlegt wurde. Jetzt saß er auf einem merkwürdigen Holzsessel, der von vier starken Männern aus der Gegend getragen wurde. Er traute sich nicht, nach unten zu schauen. Aus dem Augenwinkel nahm er wohl die Bäume wahr, die spitzen Felsen und den überfrorenen Schnee. Seine Sinne verschlossen sich dem Entsetzen, das ihn übermannen wollte. Noch viele Stunden würden vergehen, ehe sie den Berggipfel erreichten. Er befahl seinen Gliedmaßen, auf dem Sessel still zu bleiben, und dann ließ er seinen Geist ziehen, wohin er wollte.
     
    Er stand wieder am Strand von Lamahona. Auf ihn segelte ein ärmliches Boot zu, das weder rituelle Bemalung trug noch ein Segel hatte. Drei Fremde. Er wollte umdrehen und zurück zum Dorf laufen, um die dumpfe Glocke zur Warnung der anderen zu schlagen. Doch er verharrte und staunte.
    Hinter dem kleinen Ruderboot stand weit draußen auf dem Meer etwas Riesiges und Wundersames. Loveday suchte nach den richtigen Worten. Ein Turm aus Bäumen, der mit Bannern behangen war. Ein Palast der Flaggen, ein Käfig mit flatternden Fetzen. Es war das erste Mal, dass er ein Schiff des weißen Mannes sah.
     
    Loveday schob sich durch die aufgeregte Menge nach vorne und starrte die Fremden an. Die drei Männer, die jetzt am Strand von Lamahona standen, hatten runde, fischartige Augen und dicke Nasen wie die
juru
, die Seekühe. Ihre Haut war nicht richtig weiß, sondern eher blass und verunstaltet, mit Narben und schrecklichen Blasen überzogen. Der dickste der weißen Männer gab Tierlaute von sich. Eine helle, gezackte Narbe verlief quer über sein Gesicht. Für Loveday sah er sehr alt aus, so verschrumpelt wie die fleischfressenden Eidechsen von der Komodo-Insel. Wie die anderen Männer trug er merkwürdige, schlammfarbene Kleidung und einen Kopfschmuck aus flachem Leder. Der weiße Mann hob eine Schnur mit Perlen, die so blau und durchsichtig wie der tiefe Ozean waren. Nach langem Überlegen schnappte Häuptling Korohama sich die Schnur und hielt sie hoch. Erleichterung stellte sich ein. Diese schrecklichen Kreaturen wollten nur ihre Freunde sein.
    Später zog der Mann, den er im Stillen inzwischen Narbengesicht nannte, ein Bündel hervor, doch darin war bloß ein grauer Klumpen
Ambra
. Loveday lachte über ihn, denn er behandelte den Klumpen wie etwas Wertvolles und wickelte ihn behutsam wieder ein. Weil sie alle ganz aufgekratzt waren, führten Loveday und seine Freunde die weißen Männer zum

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