Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
erklärte sie: «Ich ertrage diesen Pöbel nicht. Komm, Biddy. Bitte.»
Ich war so dumm und folgte ihr wie ein blödes Lamm, das dem Wolf aus dem Pferch hinterherrannte. Sie hielt meinen Arm umfasst, und wir liefen den ausgetretenen Weg zur Kirche hinauf. Wegen der Kälte und meinen klammen Füßen hätte ich eigentlich wütend auf sie sein müssen, doch ich musste daran denken, was sie über die Hochzeitsgesellschaft sagte. Bestimmt verbitterte es sie ebenso wie mich, Céciles Glück zu sehen. Meine arme Herrin wird sich kaum gefreut haben, als sie damals Sir Geoffrey heiratete, und jetzt musste sie auch noch ihren dicken Bauch verstecken. Wir erreichten die Kirche, und sie blieb stehen. «Ich muss mit dir sprechen, Biddy», sagte sie und blickte mich flehend an.
Im Innern der Kirche verströmte der große schwarze Ofen noch immer ein wenig Wärme, und wir drängten uns darum und streckten die rotgefrorenen Finger nach der Glut aus. Ich schaute sie an, und sie wirkte sehr nachdenklich und knabberte an den aufgesprungenen Lippen. Ich sah mich in der Kirche um, in der geschmacklos Heilige an die Wände gemalt waren. Dazwischen hingen all die klappernden Knochen. Ich erschauerte und dachte an die fröhliche Feier, die ich hierfür verlassen hatte. Inzwischen war Cécile bestimmt schon unterwegs, um mit ihrem Ehemann gebettet zu werden. Ich wollte wieder bei all diesen lebhaften Menschen sein, an den Resten vom Branntwein nippen und die Sachen für unsere morgige Abreise packen.
Endlich ergriff sie das Wort. «Ich brauche deine Hilfe, Biddy.» Sie zögerte, dann schluckte sie und fuhr fort: «Das Schicksal hat mir einen schrecklichen Schlag versetzt. Wirst du mir helfen?» Sie wandte sich mir zu. Was konnte ich schon sagen? Sie tat mir richtig leid, obwohl mein gesunder Menschenverstand mir sagte, dass sie vermutlich gleich etwas Scheußliches von mir verlangen würde.
«Ja, Mylady. Ich habe versprochen, Euch zu helfen.»
Ich sah, wie sie zusammenzuckte. «Ich meine damit mehr, als deine Stellung … verlangt.»
«Was denn?» Das Baby in ihrem Bauch war schon fast ausgewachsen. Nachdem sie ihr Korsett gelockert hatte, konnte man das deutlich erkennen. «Ihr meint doch nicht, ich soll es abtreiben, oder? Ich glaub nämlich nicht …»
«Oh nein! Nein, so etwas nicht. Glaubst du, ich würde mein eigenes Kind umbringen?» Ihr stechender Blick beschämte mich.
«Es war nur, na ja. Das Sassafras-Öl, Mylady», murmelte ich.
«Sassafras?» Sie war ehrlich überrascht. «Das gehört Jesmire, sie braucht es für ihr Rheuma. Du bist ein kluges Mädchen, Biddy, das weißt du natürlich. Und wenn man dich in das richtige Kleid steckt, könntest du …» Sie legte das Kinn auf die Handfläche und bedeckte mit den Fingern den Mund, als wollte sie es nicht aussprechen. Natürlich hatte sie meine Neugier geweckt, und ich zerbrach mir den Kopf, was sie von mir wollte. Sollte ich mich verkleiden und für sie etwas aus einem noblen Geschäft holen?
«Nein, das ist eine dumme Idee. Ich habe mal geglaubt, du könntest mir helfen.» Rasch schüttelte sie den Kopf, als wollte sie den Gedanken mit aller Macht vertreiben. «Die Vorstellung ist lächerlich.»
«Sagt es schon», drängte ich. Ich legte die Hand auf ihren Ärmel, der tropfnass war. Sie sollte schleunigst zurück ins Wirtshaus und dann sofort ins Bett gesteckt werden. Aber jetzt wollte ich alles wissen.
«Ich helfe Euch», versprach ich hastig. Ich dachte an ihren Bruder und daran, dass ich auch in Paris schon mal als Dame durchgegangen war. Wenn ich also ein neues Parfüm oder ein Kleid kaufen sollte, wäre das zumindest ein kleiner Spaß. «Ich mach’s. Wenn Ihr wollt, dass ich mich verkleide, bin ich die Richtige.»
«Du verstehst erstaunlich schnell. Genau das erhoffe ich mir von dir, Biddy. Eine kleine Maskerade.»
Dann erklärte sie mir, was ich tun sollte. «Wenn wir in Italien eintreffen, möchte ich, dass du bei einem bestimmten Mann vorsprichst und von ihm den Schlüssel für die Villa holst. Das ist alles. Du sollst dich dem Count, Conte Carlo nur als Lady Carinna vorstellen. Er ist mir noch nie begegnet, und zwischen uns beiden besteht ja eine gewisse Ähnlichkeit.»
«Wirklich?» Jetzt war ich doch geplättet. Ich sollte mich als sie ausgeben, noch dazu vor einem anderen Adeligen? Ich versuchte, mir das vorzustellen, aber mir fielen nur dumme Bemerkungen ein.
«Dann machst du es? Du hast gesagt, du würdest alles tun.» In ihrer Stimme schwang jetzt
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