Das Schicksal der Paladine - Gejagt (German Edition)
Augen panisch zu ihm auf. Enuks waren beliebte Haustiere in Nuareth, am ehesten mit irdischen Äffchen zu vergleichen. Sie hatten etwa die Größe einer Hauskatze, waren ähnlich verschmust, dabei aber treu und gehorsam wie Hunde – das war zumindest Martins Erfahrung und die Erinnerung ließ sein Grinsen verblassen. Lyriel, seine verstorbene Frau, hatte damals auch einen Enuk gehabt.
»Tular wo, Tular wo?«, fragte das Tier mit seiner hohen, klaren Stimme und starrte Martin weiter unverwandt an. Enuks konnten simple Zwei- oder Dreiwortsätze bilden und einfache Befehle verstehen.
Martin streichelte das Tier, um es zu beruhigen und ließ seinen Blick schweifen. Im Boden war ein großes, rechteckiges Loch, darunter war der Stall zu sehen. Einfache Strohlager waren an den Seiten, hier hatten vermutlich die Kinder der Familie geschlafen, die aufsteigende Wärme der Tiere ausnutzend. Aber auch diese Lager sahen aus, als seien sie hastig verlassen worden, die Decken zerknüllt, das Stroh in Unordnung. Vermutlich waren alle Hals über Kopf geflohen, als die Nekromanten gekommen waren, und hatten den Enuk zurückgelassen. Vielleicht war er draußen auf der Jagd gewesen.
Martin wandte sich an Katmar. »Sieh nach, ob die Luft draußen noch immer rein ist, und lass die anderen dann nachkommen.« Sein Gefährte nickte und verschwand die Treppe hinunter.
Den Enuk von seiner Brust zu setzen war gar nicht so einfach. Nur widerwillig löste das Tier seine Krallen aus Martins Harnisch und fixierte ihn dabei die ganze Zeit. »Tular?«, fragte es noch einmal, als Martin es auf dem Boden abgesetzt hatte.
»Tular ist dein Herr?«
Der Enuk nickte – auf seine eigentümliche Art. Nicht nur sein Kopf wippte auf und ab, sondern der ganze Oberkörper, weil er die Vorderbeine einknicken ließ, um die Bewegung zu erzeugen.
»Ich glaube, er ist fort. Böse Wesen sind in das Tal gekommen.« Obwohl Martin versuchte, es schonend zu formulieren, kreischte das Tier auf und hüpfte einen halben Meter in die Höhe.
»Tular fort, nein! Darf nicht sein, nein!« Eine Weile hüpfte der Enuk wild herum und wiederholte die Worte immer wieder, dann setzte er sich auf seine Hinterbeine und rieb sich mit den Vorderpfoten unablässig über den Schädel. »Sudil allein«, wimmerte er dabei. »Armer Sudil.«
Das war wohl sein Name, folgerte Martin. Das Tier tat ihm leid, vor allem aber erinnerte ihn sein Verhalten an Lyriels Enuk, der genauso verzweifelt dagehockt hatte, als seine Herrin gestorben war – und nicht minder verzweifelt war Martin gewesen. Die alte, längst vernarbte Wunde des Verlustes pochte wieder und klopfte an den Panzer aus aufgesetzter Lockerheit, den sich Martin seither angelegt hatte. Brütend starrte er auf den Holzboden und wischte sich über die feuchten Augen.
Der Rest der Truppe kam ins Haus und Martin wandte sich der Treppe zu, dankbar für die Ablenkung. Sudil schien Martin nicht weiter zu beachten und in sein Selbstmitleid versunken. Als Martin unten ankam, war das Tier dennoch hinter ihm.
»Schau mal, ein Enuk«, rief Julien aus und strahlte.
»Wie niedlich«, quietschte Majari vergnügt und die beiden Kinder hatten ihre Erschöpfung für den Augenblick vergessen. Auch der Enuk schien von ihrer Fürsorge angetan und ließ sich bereitwillig von ihnen streicheln. Martin lächelte und freute sich mit den Kindern.
»Was jetzt?«, fragte Katmar neben ihm.
»Es ist noch ein langer Weg, in der Nacht haben wir kaum geschlafen, wir müssen ausruhen. Besser hier als unten am Fluss.«
»Und wie lange?«
Martin seufzte. Plötzlich überkam ihn eine bleierne Müdigkeit, die dauernde Anspannung, die ihn durch die Nacht begleitet und wach gehalten hatte, war für den Moment gewichen. Die Last der Verantwortung für die Gruppe wog jedoch nach wie vor schwer. »Ich weiß es nicht, eine Stunde vielleicht. Stellt Wachen auf, sucht nach etwas Essbarem und behaltet die Stadt im Auge. Lasst uns genug Kräfte sammeln, damit wir es dann ohne Verzögerung bis zum Tunnel schaffen.«
Katmar schien etwas entgegnen zu wollen, zuckte dann aber nur die Achseln und ging davon. Martin wandte sich der Treppe zu, um sich oben hinzulegen, wo ihn die anderen – so hoffte er – eine Weile in Ruhe lassen würden. Noch ehe er die erste Stufe erklommen hatte, hielt Shurma ihn mit einem Ruf zurück.
»Warum ist Velus nicht bei uns?«, fragte sie, als er sich ihr zu wandte.
»Er wollte nicht mitkommen«, erwiderte Martin müde. Ein Streit war das
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