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Das Schicksal der Zwerge

Das Schicksal der Zwerge

Titel: Das Schicksal der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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»Das eine Mal hat mir voll und ganz genügt.« Er blickte zur Decke, wo Schneeflocken durch die klaffende Lücke hereinrieselten und am Boden zu Wasser schmolzen. Lieber ein Loch im Dach als abgerissene Arme. Er stützte die Ellbogen auf und legte den Kopf auf die Handflächen. »Er war dein Meister?«
Tungdil wanderte auf und ab. »Er zeigte mir Schmiedetechniken, die ich vorher nicht kannte, und ich fertigte bald meine eigene Rüstung an. Mir entging nicht, dass er immer wieder Besuch von Scheusalen empfing und sie durchaus höflich behandelte. Grauenhafte Wesen, Ingrimmsch. Unterhändler des Kordrion und anderen, noch schlimmere Monstren, die Waffen und Panzerungen für ihre Heere verlangten. Und es gab nicht wenige, die ihn am liebsten an die Spitze ihres Heeres gestellt und alles dafür gegeben hätten, was er verlangte. Denn es tobte ein Krieg unter den Bestien. Weil sie nicht mehr aus der Schwarzen Schlucht herauskamen, doch ihre Natur nach Gewalt und Mord verlangte, bekämpften sie sich gegenseitig.«
Ingrimmschs Vorstellungskraft arbeitete und schuf beängstigende Bilder. Er sah grob behauene Gänge voller Scheusale, die sich darin abschlachteten und die Wände samt Decke und Boden mit Blut und Eingeweiden schmückten; enorme Höhlen, deren Grund mit fürchterlichen Streitmächten bedeckt war, die mit Gebrüll aufeinander eindroschen; schwarze Festungen, gegen die angerannt wurde und deren Mauern unter den Einschlägen der Steine und dem Krachen der Rammböcke erbebten. Boindil spürte, dass er angestarrt wurde, und blickte zu Tungdil, der ihn wissend anlächelte.
»Alles, was du dir vorstellen kannst, genügt nicht, um das zu beschreiben, was ich sah«, sprach der Einäugige leise und setzte sich wieder. »Was gäbe ich jetzt für einen guten Schluck Branntwein und ein Fässchen Schwarzbier«, seufzte er.
»Ich auch«, raunte Ingrimmsch, ohne es zu wollen. Die Erzählungen des Freundes hatten Eindruck auf ihn gemacht. »Wie erging es dir weiter?«
»Mein Meister, wenn man so möchte, ist niemals auf eines der Angebote eingegangen. Er wollte nicht Heerführer werden warum auch? Es waren weder seine Kriege noch seine Leute.«
»Und woher kam er?«, fiel ihm Boindil wieder ins Wort.
Tungdil überhörte den Einwurf. Absichtlich? »Er lieferte allen Seiten die Waffen, welche sie verlangten, aber niemals so gute Rüstungen, wie er sie für sich selbst schmiedete. Ich erlangte nach dreißig Zyklen sein volles Vertrauen und wurde von ihm als Unterhändler zu den Ausgeburten des Bösen gesandt. Bald machten sie auch mir Angebote.« Er schluckte und senkte den Kopf. »Ich widerstand nicht. Mein Verstand sagte mir, dass es gut war, so viele Bestien wie möglich in den Tod zu schicken, und das konnte ich am besten, wenn ich sie gegeneinander aufhetzte. Außerdem musste ich zur Schwarzen Schlucht gelangen und wie hätte ich das besser gekonnt als an der Spitze eines Heeres?«
»Das war doch eine weise Entscheidung, Gelehrter.«
»Die mir aber die Feindschaft meines Meisters einbrachte. Ich hatte ihn immer glauben lassen, dass ich mich ebenso verhielt wie er: niemals Partei ergreifen und von allen Geld verlangen.« Tungdil wollte einen weiteren Schluck nehmen und bemerkte, dass sein Becher leer war. »Ein Söldner. Einhundert Zyklen war ich nichts anderes als ein Söldner und diente den Herrschern, die mir die besten Löhne anboten. Ich besaß mein eigenes Reich, Ingrimmsch.« Er lächelte versonnen, aber grausam. »Mir gehorchten Tausende, meine beiden Festungen waren uneinnehmbar. Doch damit weckte ich das Misstrauen der Fürsten in dieser Unterwelt. Diejenigen, denen ich diente, schlossen sich zusammen, um mich niederzuwerfen.« »Du musstest flüchten?« Tungdil lachte, und der Klang jagte Boindil ein Schaudern über den Rücken. Er vernahm abgrundtiefe Bosheit in der Stimme des Freundes. »Nein. Ich habe sie besiegt und mir ihre Reiche einverleibt. Meine Krieger waren die Besten, weil ich sie nach der Art der Zwerge ausgebildet hatte. Sie schnitten sich durch die Reihen meiner Feinde, als gäbe es nichts Einfacheres. Meine Macht währte geschätzte dreißig Zyklen, und ich war unangefochtener Gebieter auf der anderen Seite.«
»Und damit hast du deinen alten Meister gegen dich aufgebracht«, vermutete Ingrimmsch, dem die Kälte nicht mehr aus dem Leib fahren wollte. Die Schatten machten Tungdils Gesicht härter, zeichneten die Falten und seine Narbe düster nach. »Weil es nichts mehr zu verdienen gab. Ich

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