Das Schicksal der Zwerge
auf den höchsten Türmen: eine für das Königreich der Vierten, eine für die Gemeinschaft der Kinder des Schmieds. Ein schöner Schein, denn eine wahre Gemeinschaft im Sinne der vergangenen Zyklen unter einem Großkönig gab es längst nicht mehr.
Tungdil fuhr dem Befün über den Nacken. »Nein«, antwortete er ehrlich. »Es gibt große Teile meines Lebens, von denen ich kaum oder gar nichts mehr weiß.« Er berührte die Narbe an seinem Kopf und sah Ingrimmsch an. »Was ist mit diesem Djerün?« Er winkte ab. »Nicht so wichtig, Gelehrter. Ich wollte nur über die Acronta sprechen und ... gleichgültig.« Ingrimmsch nahm sein Rufhorn zur Hand, setzte es an die Lippen und ließ es laut erschallen. Es dauerte nicht lange, und das Signal wurde erwidert, woraufhin er eine zweite Tonfolge spielte.
Das Tor der Silberfeste wurde für sie langsam, aber beständig geöffnet. Tungdil und Ingrimmsch ritten schweigend auf den Eingang zu, vor dem sich ein Trupp Zwerge aufbaute und lange Spieße in den Händen hielt.
Der Einäugige bemerkte, dass die Zinnen mit Armbrustschützen besetzt wurden, die ihre Waffen bereithielten. »So ganz willkommen scheinen wir nicht zu sein«, merkte er an.
»Sie haben nichts gegen dich oder mich. Es ist Vorschrift«, erklärte Boindil. »Frandibar Juwelengreif aus dem Clan der Gold Schläger hat es auf meinen Rat hin übernommen. Niemand gelangt auf die andere Seite, ohne vorher gründlich überprüft worden zu sein. Auch ich nicht.« Insgeheim machte er sich große Sorgen, wie die Gesandten der Zwergenstämme und Clans auf den veränderten Helden ihres Volkes reagieren würden. Sie ritten auf die Wachen zu. »Unsicher, Ingrimmsch?« Tungdil trug keinen Vorwurf oder Bitterkeit in der Stimme. Er lächelte traurig. »Es wird noch anderen so ergehen, die lieber an einen Doppelgänger und Blendwerk glauben werden, wenn sie mich erblicken. Vor allem, wenn sie meine neuen Vorschläge hören, wie wir LotIonan in die Knie zwingen. Darum wird es gehen: ihn zu besiegen und nicht zu töten. Das, Ingrimmsch, ist das Schwierigste bei einem entschlossenen und verzweifelten Gegner.«
»Verzweifelt? LotIonan ist ein Magus, warum sollte er verzweifelt sein?« »Je länger wir gegen ihn kämpfen, desto mehr Verzweiflung wird ihn befallen. Vertraue mir.« Wieder zeigte sich jene beängstigende Heiterkeit auf seinen Zügen, die jedem Dämon gut zu Gesicht gestanden hätte. In diesem Augenblick hätte Ingrimmsch ihm nicht den Rücken zugekehrt; dennoch lächelte er zurück.
Sie hatten die Wärter des Tores erreicht, grimmig dreinblickende, schwer bewaffnete Zwerge mit dicken Mänteln über den Rüstungen. Sie hielten die Spieße so, dass sie jederzeit zum Einsatz kommen konnten.
»Wie sind eure Namen, und was wollt ihr?«, wurden sie vom Hauptmann gefragt, und Tungdil überließ es Ingrimmsch zu erklären, was ihr Anliegen war.
Boindil bemerkte, dass sich die Aufmerksamkeit der Wachen vor allem auf den Gelehrten richtete. In seiner auffälligen Rüstung und dazu noch auf einem nicht eben gängigen Reittier erregte er das meiste Misstrauen; das änderte sich, als sie vernahmen, um wen es sich bei dem finster wirkenden Zwerg handelte.
»Bei Vraccas!«, rief der Hauptmann und verbeugte sich tief vor den beiden. »Kann es denn wahr sein, dass die größten Zwergenhelden erschienen sind, um das Geborgene Land zu befreien? Eure Ankunft wurde nicht so rasch vermutet. Die Gesandten sind noch nicht alle eingetroffen.«
»Dann beginnen wir unsere Planungen ohne sie«, sagte Tungdil schroff. »Können wir passieren?«»Sicher, Tungdil Goldhand«, sagte der Hauptmann sofort und gab einen Wink, woraufhin sich eine Gasse für die Reisenden bildete.
»Woher willst du wissen, dass ich der echte Tungdil Goldhand bin?«, fragte dieser lauernd vom Befün herab. »Wirke ich auf dich wie ein Kind des Schmieds? In dieser Rüstung? Und was haben wohl meine Runen auf dem Tionium zu bedeuten? Was wäre, wenn sie dem Betrachter den Tod versprächen?«
»Nun ... du reitest ... neben Boindil Zweiklinge. Die Melodie seines Rufhorns wies ihn aus. Ich dachte ...« Der Zwerg stockte und sah zu Ingrimmsch. Er hatte nicht damit gerechnet, für seine Freude und sein Zuvorkommen unfreundlich behandelt zu werden.
»Danke. Wir finden den Weg hinein«, sagte Boindil deutlich liebenswürdiger und trieb sein Pony an. »Gib uns einen Soldaten mit, der uns auf dem schnellsten Weg durch das Braune Gebirge zu König Frandibar Juwelengreif führt. Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher