Das Schicksal des Highlanders
dringend eine kleine Verschnaufpause. Hier oben auf dem Tisch war genug Platz, um seinem Schwert auszuweichen, solange sie ihn nicht aus den Augen ließ.
»Eigentlich solltet Ihr mit den anderen dort draußen Dubhlinn retten«, meinte sie. »Und nicht hier drinnen ein schwaches Mädchen und einen Knaben jagen.«
»Der Bursche interessiert mich nicht«, erwiderte George. »Das ist einer von Beatons Sprösslingen. Wenn er nicht von einem Schwert der Beatons niedergestreckt wird, um ihn davon abzuhalten, sich Dubhlinn unter den Nagel zu reißen, dann wird bestimmt einer der Murrays kurzen Prozess mit ihm machen, sobald man herausgefunden hat, dass er ein Beaton und kein Murray ist. Den Kampf um Dubhlinn haben die Murrays bereits gewonnen. Dubhlinn war verloren, sobald sie ins Burginnere eingedrungen waren. Ich bleibe hier nur noch so lange, bis ich dir den Garaus gemacht habe, und dann bringe ich mich in Sicherheit.«
Maldie brauchte eine Weile, um die Bedeutung dessen, was George gerade gesagt hatte, zu begreifen. »Ihr wisst, dass Eric Beatons Sohn ist?«
»Na klar, er hat ja das Mal.«
»Woher wisst Ihr das? Wart Ihr etwa seine Hebamme oder seine Amme?« Rasch presste sie die Lippen aufeinander. Es war nicht klug, einen Mann mit einem Schwert in der Hand zu verspotten.
»Ich war einer der Männer, die das Kind in den Bergen ausgesetzt haben.« Er zuckte die Schultern. »Ich wusste, dass Beaton so ein Mal hat, und wollte nachsehen, ob er mit der Vaterschaft des Kindes recht hatte.«
»Aber Beaton kennt die Wahrheit nicht?«
»Nein, der Narr war zu wütend, um das Neugeborene eingehender zu betrachten. Sobald er erfahren hatte, dass seine treulose Gemahlin mit dem alten Murray getechtelt hatte, wollte er die Wahrheit gar nicht mehr wissen. Bevor ihm einfiel, dass er den Burschen ja als seinen Sohn ausgeben könnte, hätte einem selbst der leiseste Ton über diesen Jungen den Tod eingehandelt. Ich beschloss, mein Wissen für mich zu behalten. Nur die Mutter des Knaben kannte die Wahrheit und vielleicht noch die Hebamme, aber keine der beiden lebte lang genug, um sie weiterzuerzählen. Dafür hat Beaton schon gesorgt.«
»Und was nützte es Euch, die Wahrheit zu wissen und sie all die Jahre für Euch zu behalten?«
»Ich hoffte, dass dieser Mistkerl Calum bei unserem Laird in Ungnade fallen würde, und dann hätte ich diese Information nutzen können, um an seine Stelle zu treten. Jetzt spielt das alles keine Rolle mehr, es ist nutzlos. Calum und unser Laird werden bald tot sein, und ich werde mich mit meinem Schwert wieder bei jedem verdingen müssen, der ein paar Münzen dafür übrig hat. Ich hatte hier ein gutes Leben, bevor du Miststück es mir genommen hast!«
Er hob sein Schwert, und Maldie schaffte es nur mit knapper Not, zur Seite zu springen und ihre Füße davor zu bewahren, an den Knöcheln abgetrennt zu werden. Als er zum nächsten Hieb ausholte, tat sie das Einzige, was ihr in diesem Moment einfiel: Sie trat ihm mit voller Wucht ans Kinn. George schrie auf und ließ sein Schwert fallen. Blut tröpfelte ihm aus den Mundwinkeln. Maldie fragte sich, ob er ein paar Zähne oder vielleicht sogar ein Stück Zunge verloren hatte. Sie trat ihn noch einmal, diesmal direkt ins Gesicht.
George stolperte rückwärts. Plötzlich wurden seine Augen groß vor Überraschung und Entsetzen. Er starrte auf seine Brust. Als Maldie seinem Blick folgte, verschlug es ihr den Atem. Aus seinem dick wattierten Wams ragte eine Schwertspitze! Er sackte in sich zusammen. Hinter ihm fluchte jemand leise. Die Schwertspitze verschwand, und George stürzte zu Boden. Hinter ihm stand Eric, blass, die Augen weit aufgerissen, ein blutiges Schwert in den Händen.
»Oh Eric!«, murmelte sie. Sie hüpfte vom Tisch und nahm ihm die Waffe ab.
»Er wollte dich töten«, flüsterte der Junge und wischte sich mit zitternden Händen den Schweiß von der Stirn.
»Jawohl, vergiss das nie, dann wirst du nicht allzu sehr unter dem leiden, was du soeben getan hast.« Sanft begann sie, ihn zur Tür zu ziehen.
»Eigentlich sollte es mir nichts ausmachen. Schließlich werde ich zum Ritter geschlagen, wenn ich einundzwanzig bin. Ich glaube, Ritter müssen von Zeit zu Zeit Feinde töten.«
Sie war froh, dass er so viel Vernunft zeigte, obgleich seine Stimme noch immer leicht zitterte. Er würde bald darüber hinwegkommen, dass er George getötet hatte. Es war zwar eine Schande, dass er seinen ersten Mann hatte töten müssen, noch bevor er seine
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