Das Schicksal des Highlanders
kurz, ob sie Eric einweihen sollte, entschied dann aber, dass er glaubwürdiger reagieren würde, wenn er nichts wusste. Später, wenn der Plan griff, würde sie es ihm sagen, denn sie würde seine Hilfe benötigen. Sie hoffte, dass er ihr die Schwindelei verzeihen würde.
Um sich vorzubereiten, nahm sie einige tiefe Atemzüge, dann umklammerte sie ihren Bauch und krümmte sich stöhnend vornüber. Eric erwachte sofort. Bleich setzte er sich auf und legte einen Arm um sie. Die Angst in seinem jungen Gesicht bereitete ihr ein schlechtes Gewissen, aber sie stöhnte nur noch lauter.
»Was fehlt dem Mädchen?«, erkundigte sich der gedrungene Wächter und trat näher an die Zelle.
»Ich weiß nicht«, antwortete Eric. »Maldie, hast du Schmerzen? Was ist los mit dir?«
»Mir ist unwohl, sehr, sehr unwohl«, sagte Maldie stöhnend und wiegte sich heftig hin und her. »Ich brauche die Hilfe einer Frau.«
Eric errötete und wandte sich zum Wächter um. »Ihr müsst eine Magd herschaffen, die ihr zur Seite steht!«
»Warum?«, schnappte der Wachmann und wich zurück. Er beäugte Maldie, als habe sie die Pest.
»Weil sie starke Schmerzen hat, Ihr Narr. Vielleicht stirbt sie sogar, wenn sie keinen Beistand erhält.«
»Na und? Das Mädchen hängt in ein paar Stunden am Galgen.«
Maldie verwünschte sich, denn daran hatte sie nicht gedacht. In Donncoill hatte ihr niemand ein Leid zufügen wollen, also hatte man für alles Nötige gesorgt, um sie gesund und munter zu halten. Hier wusste jeder, dass sie hängen sollte, dass sie so gut wie tot war und dass eine tote Frau nicht umsorgt werden musste. Aber dann begann Eric mit kalter, befehlender Stimme zu sprechen. Maldie beschloss, ab sofort mehr Vertrauen in den Jungen zu haben.
»Ich glaube, Beaton möchte sie lebendig hängen«, gab Eric zu bedenken. »Ja, lebendig und im vollen Bewusstsein ihres nahenden Todes. Er will sie zur Hölle schicken, und er wird nicht sonderlich begeistert seid, wenn er herausfindet, dass Ihr nutzlos und unbesorgt danebengesessen habt, während sie sich alleine dorthin aufgemacht hat. Wenn Euch Eure hässliche Haut etwas wert ist, holt Ihr besser eine Frau, die nach ihr sieht!«
Maldie hörte den Wächter fluchend davoneilen. Um sicherzugehen, dass er fort war, wartete sie einen Moment, bevor sie aufschaute. Als ihr Blick auf Eric fiel, merkte sie, dass er sie mit großen Augen anstarrte. Sie wusste, dass sie keine Zeit für lange Erklärungen hatte.
»Ich bin nicht krank, Eric«, versicherte sie ihm, auf die Rückkehr des Wächters lauschend. »So bin ich auch aus Donncoill geflohen. Er wird mir gleich eine Magd bringen, und in dem Moment, in dem er die Tür aufschließt, müssen wir angreifen.«
»Das sind zwei gegen zwei«, wandte Eric stirnrunzelnd ein, als er ihre Chancen überschlug. »Er ist ein sehr großer Mann, und von uns ist keiner groß.«
»Wir werden aber nur ihn zum Gegner haben. Die Magd wird nichts tun. Bei ihr müssen wir nur aufpassen, dass sie uns nicht entwischt und Alarm schlägt. Der Wächter muss außer Gefecht gesetzt werden, damit wir an ihm vorbei aus diesem verfluchten Verlies kommen und ihn darin einschließen können.«
»Verstehe.«
»Gut, denn er kehrt zurück.«
Maldie wünschte, sie hätte mehr Zeit gehabt, ihren Plan mit Eric durchzusprechen. Keiner von ihnen wusste, was der andere tun würde. Sie benötigten eine große Portion Glück, um in Freiheit zu gelangen. Erneut atmete sie tief durch, riss sich zusammen und setzte ihre Vorstellung fort. Eric war ein kluger Bursche, schon in der kurzen Dauer ihrer Begegnung hatte er das wiederholt bewiesen. Sie vertraute auf seinen Instinkt.
Die Tür ging auf. Maldie hörte erst das leise Rascheln von Röcken, dann das Knurren des Wächters. Sie schaute hoch, sah, dass die junge pummelige Magd sie nicht beachtete, und nutzte das zu ihrem Vorteil. Sie packte die Magd am Arm und versetzte ihr einen Kinnhaken, als sie sich zu ihr umdrehte. Die Frau ächzte kurz und ging zu Boden. Maldie schob sie zur Pritsche, zerrte sie auf den dünnen Strohsack und wandte sich zur Zellentür.
Hartnäckig wie ein Kind klammerte sich Eric an den Rücken des Wächters. Seine dünnen Arme waren um den dicken Hals des Mannes geschlungen, und seine langen Beine umklammerten den Bauch. Beatons Mann versuchte verzweifelt, den Jungen abzuschütteln, er schlug ihn gegen die dicken Eisenstangen und Steinmauern und zerrte an Erics Armen. Ein Blick auf Erics blasses, angestrengtes
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