Das Schicksal des Highlanders
Langsam konnte Balfour wieder einen klaren Gedanken fassen. Doch er dachte nicht an Grizel, an Beaton oder an Verrat, sondern daran, dass Maldie bei der Liebe soeben ein Geschick an den Tag gelegt hatte, wie es nur wenige Frauen hatten; und er hatte ihr weder von solchen Dingen erzählt, noch hatte er sie ihr gezeigt. Dass er ihr erster Liebhaber war – den Beweis hatte er mit eigenen Augen gesehen –, half wenig, um seine wachsende Unruhe zu beschwichtigen. Bei solchen Liebesspielen verlor eine Frau ihre Unschuld nicht.
»Woher kennst du solche Sachen?«, fragte er und verfluchte sich gleichzeitig dafür, dass er das unbedingt wissen wollte.
»Habe ich dir nicht zu einem klaren Kopf verholfen, so wie du es wolltest?«, fragte sie.
»Na ja, das schon, aber …« Er runzelte verwirrt die Stirn, als sie leise lachte und einen Finger an seine Lippen legte.
»Schon gut, ich necke dich nur. Meine Mutter hat mir erklärt, dass Männer das gerne haben. Hat sie sich etwa geirrt?«
Balfour war schockiert und wurde wütend auf ihre Mutter, aber auch traurig. Wieder einmal hatte er einen Blick auf ihre traurige Kindheit und Jugend erhalten. »Nein, nein, das ist schon richtig.« Er erinnerte sich an die intensive Lust, die sie ihm geschenkt hatte, und lächelte, dann gab er ihr einen zärtlichen Kuss. »Aber es war nicht richtig, dir solche Dinge zu erzählen. Hat sie etwa versucht …« Er stockte, weil er nicht wusste, welche Worte er wählen sollte, ohne ihre Mutter allzu schwer zu beleidigen.
»Ob sie versucht hat, eine Hure aus mir zu machen?« Maldie lächelte wehmütig, als sie merkte, wie unbehaglich er sich fühlte. »Ja, ich glaube, das hat sie tatsächlich. Ein paar Jahre lang hätte ich ziemlich viel Geld eingebracht, bis meine Schönheit und meine Anmut geschwunden wären. Aber ich glaube, oft genug hatte sie einfach keinen anderen Gesprächsstoff. Männer und wie man ihnen so viel Lust bereiten kann, dass sie gut dafür bezahlen – darin kannte sie sich aus.« Sie schmiegte sich eng an ihn. »Aber lass uns jetzt lieber darüber sprechen, was dich so wütend gemacht hat.«
»Leider kann ich dich nicht eine Närrin schimpfen.« Er spürte, wie seine Wut zurückkehrte, doch jetzt war er stark genug, sie zu beherrschen. »Wie ich schon sagte – die abgerissene Gestalt war tatsächlich Grizel, und sie hatte ein Stelldichein mit drei von Beatons Männern. Leider haben sie sich gegen ihre Gefangennahme gewehrt. Ich glaube, dieser kleine Sieg über Beaton wäre noch viel süßer gewesen, wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, wenigstens einem von ihnen ein paar Geheimnisse zu entlocken.«
»Und Grizel – lebt sie noch?«
»Ja, aber sie wird mir nichts sagen. Wenn sie Geheimnisse Beatons kennt, wird sie sie aus lauter Trotz mit ins Grab nehmen. Sie hat nicht versucht, sich zu retten, sie saß nur da und hat uns die hässliche Wahrheit direkt ins Gesicht gefaucht.«
»Ihr Hass auf euch ist noch stärker, als ich dachte, wenn sie sich durch ihn ins Grab bringen lässt.«
»Ja, er ist wirklich äußerst stark. Er hat sie sogar dazu gebracht zu morden.«
»Weißt du das genau?«
Er nickte und streichelte gedankenverloren ihren schlanken Rücken. Zu seiner Verwunderung schenkte allein diese Berührung ihm die Kraft, seine Trauer und Wut zu kontrollieren. »Sie hat die Tat gestanden. Weißt du noch, wie ich dir bei unserer ersten Begegnung davon erzählt habe, dass unsere Heilerin immer Blutegel ansetzt?«
Maldie überlief es kalt bei der Vorstellung, die sich langsam in ihrem Kopf bildete. Aber sie wusste, es war die Wahrheit. Mit vor Entsetzen leiser Stimme meinte sie: »Du hast mir gesagt, dass du nicht an die heilende Wirkung von Blutegeln glaubst und dachtest, sie hätten den Tod deines Vaters beschleunigt.«
»Wahrscheinlich nicht nur das. Grizel prahlte, dass sie ihren Ehrenplatz benutzt habe, um den Mann vor unser aller Augen umzubringen. Sie hat ihn langsam ausbluten lassen. Am liebsten hätte ich sie an Ort und Stelle getötet, aber James hat mich daran gehindert.« Er verzog das Gesicht. »Ich hatte schon mein Schwert in der Hand und konnte es kaum erwarten, eine alte, verbitterte Frau zu erschlagen.«
»Dafür brauchst du dich nicht zu schämen. Sie hat deinen Vater auf grausame Weise getötet und bereut es offenbar nicht im Geringsten.« Maldie küsste ihn auf die Wange. »Jedenfalls hast du es nicht getan. Selbst James hätte dich nicht abhalten können, wenn du es wirklich gewollt hättest.
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