Das Schicksal des Highlanders
geregt.« Sie nahm ihm den leeren Becher ab und stellte ihn auf den Nachttisch. »Ich fand, mein Wort müsste genügen. Er hat mir Fragen gestellt und mich um Auskünfte gebeten, die meine Unschuld beweisen und von jemandem bestätigt werden könnten. Ich habe ihm gesagt, wenn er so versessen darauf ist, dann sollte er sich eben selbst auf die Suche machen.« Als Nigel lachte, brachte sie ein schiefes Lächeln zustande.
Plötzlich wurde er sehr ernst. »Dieser Stolz könnte dich an den Galgen bringen«, warnte er.
»Nein«, sagte sie fest, »nicht durch Balfour. Er braucht einen stichhaltigen Beweis, bevor er jemanden zum Tode verurteilt.«
»Stimmt. Balfour ist gnädig und gerecht. Zu schade, dass er zudem noch töricht ist.« Er grinste, als sie zu kichern begann, doch gleich darauf wurde er wieder ernst. Prüfend musterte er sie, dann meinte er: »In diesem Fall bleibt dir nur eines: Du musst aus Donncoill fliehen.«
Sie war sehr stolz, als es ihr gelang, ihre Gefühle, vor allem die Angst, dass ihre Pläne aufgeflogen seien, unter Kontrolle zu halten. Doch Nigel wusste bestimmt nicht, was sie vorhatte – ihre Pläne waren viel zu waghalsig. Auch die Murrays wollten Eric befreien, meinten aber, sie müssten ein ganzes Heer dafür aufbieten. Es wäre bestimmt keinem in den Sinn gekommen, dass ein schwaches Mädchen daran denken könnte, es ganz alleine zu versuchen. Dass Nigel ihr Fluchtgedanken unterstellte, war nicht weiter verwunderlich und stellte bestimmt keine Bedrohung dar.
»Na klar – eine Flucht wäre natürlich der beste Beweis für meine Unschuld«, meinte sie gedehnt.
»Himmel noch mal, eigentlich solltest du es überhaupt nicht nötig haben, deine Unschuld zu beweisen!«
»Stimmt. Aber mich wie ein Dieb bei Nacht und Nebel davonzumachen hilft mir bestimmt auch nicht viel. Ich schaffe das schon, Nigel. Ehrlich! Ja, die Sache liegt mir schwer im Magen, aber ich lebe noch, und die Wahrheit wird bald ans Licht kommen. Ich muss einfach abwarten.«
»Wenn ich dir helfen kann …«
»Nein, Nigel!«, fiel sie ihm ins Wort. »Am besten hältst du dich einfach heraus. Du glaubst an mich, und das reicht mir. Alles Weitere würde dich in den Ruch des Ungehorsams, oder schlimmer noch, des Verrats an deinem Laird bringen.«
In dem Moment ging die Tür auf. Jennie stand auf der Schwelle, Maldies Bewacher hinter ihr. »Ich muss jetzt wieder in meine Kammer. Ruh dich aus, Nigel! Mit jedem Tag wirst du stärker und deine Schritte sicherer. Damit wächst leider auch die Versuchung, sich zu übernehmen.«
»Ich weiß. Bislang hast du mit all deinen Ratschlägen recht gehabt, also werde ich auch diesen befolgen.«
Maldie verließ die Kammer. Jennie schlug die Augen nieder und wurde rot, als Maldie an ihr vorüberging. Alle wussten, warum Balfour Maldie in ihre Kammer verbannt hatte. Bestimmt hatte sie damit alles Vertrauen verloren, das sie sich in Donncoill aufgebaut hatte. Es stimmte sie traurig, denn allmählich hatte sie sich richtig heimisch gefühlt und geglaubt, dass die anderen sie akzeptierten, wenn nicht sogar mochten. So etwas spürte sie zum ersten Mal in ihrem Leben. Umso schmerzhafter war nun der Verlust.
Hinter ihr ging die Tür zu. Maldie zuckte zusammen, als sie hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Sie hasste es, eingesperrt zu sein. Ihr Leben lang hatte sie die Freiheit gehabt, zu kommen und zu gehen, wie es ihr beliebte, auch wenn ihr manche diese Freiheit geneidet hatten. Obwohl sie erst seit drei Tagen eingesperrt war, hatte sie das Gefühl, ersticken zu müssen. Sie holte tief Luft und trat an das kleine Fenster. Dort atmete sie die warme, frische Luft in tiefen, langsamen Zügen ein, um ihre aufsteigende Panik zu vertreiben. Immerhin konnte sie von dieser Stelle aus auch einen Blick nach draußen werfen, wofür sie sehr dankbar war. Balfour hätte sie auch in eine dunkle Zelle im Verlies tief unter Donncoill stecken können.
»Aber eigentlich hätte er mich überhaupt nicht einsperren dürfen!«, murrte sie und kehrte zu ihrem Bett zurück.
Sie wollte nicht länger über ihre Wut und Verletztheit nachgrübeln. Deshalb lenkte sie ihre Gedanken auf ihren Plan, Eric zu befreien. Nur so hatte sie es bislang geschafft, sich nicht von ihrem Elend und Leid überwältigen zu lassen. Ihr Plan war fast fertig, nur der erste und schwierigste Teil war ihr noch nicht ganz klar. Sie hatte sich einen Weg ausgedacht, um ins Innere von Dubhlinn zu gelangen und herauszufinden, wo Eric versteckt
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