Das Schicksal des Highlanders
nur in Nigels Zimmer gehen. Falls es ihr tatsächlich gelang zu fliehen, ihre Flucht aber entdeckt würde, würde sich der halbe Murray-Clan an ihre Fersen heften. In Dubhlinn würde sie äußerst behutsam vorgehen müssen, denn inzwischen würden die Leute Fremden gegenüber sehr misstrauisch sein. Sie würde also größte Vorsicht walten lassen müssen, während sie Eric aufstöberte und befreite. Und dann würde sie sich und den Jungen heil aus Dubhlinn herausschmuggeln und den Weg nach Donncoill ebenso unversehrt zurücklegen müssen.
»Nichts leichter als das«, murmelte sie. Sie stellte den Becher auf den Tisch und kroch wieder ins Bett.
Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Sie sollte gar keinen Gedanken daran verschwenden. Aber ihr fiel nichts anderes ein, es war ihr einziger Plan, und der musste eben gründlich durchdacht werden. Immerhin war es besser, sich mit einem solch verrückten Abenteuer zu befassen, als tatenlos herumzusitzen und sich darüber zu grämen, wie sehr man gekränkt worden war.
12
»Was planst du, Maldie Kirkcaldy?«, fragte Nigel und streckte seinen schmerzenden Körper vorsichtig auf dem Bett aus.
Sie wandte sich vom Fenster ab, aus dem sie gestarrt hatte, und sah ihn an. Seit drei Tagen war er, abgesehen von dem schweigsamen Wächter, der sie von ihrem zu Nigels Zimmer begleitete, ihre einzige Gesellschaft. Weder Nigel noch Maldie hatten über die Dinge gesprochen, die Maldie vorgeworfen wurden, und sie vermieden es auch, über Maldies Gefangenschaft zu sprechen. Sie hatten nur schwer daran gearbeitet, sein Gehvermögen zu verbessern. Nigel machte große Fortschritte. Maldie war zu dem Schluss gekommen, dass er sich wohl ausschließlich dafür interessierte, doch ihr war klar, dass er sie trotzdem sehr genau beobachtete.
»Wieso kommst du darauf, dass ich etwas plane?«, fragte sie. Sie trat an sein Bett und schenkte ihm einen Becher Apfelmost ein.
»Vielleicht, weil mein idiotischer Bruder dich zu einer Gefangenen gemacht hat?«
»Ich dachte, wir würden über dieses kleine Problem hinwegsehen.«
»Als du zum ersten Mal in mein Zimmer kamst, nachdem er diese Dummheit begangen hatte, glaubte ich, dass du nicht darüber reden wolltest. Vielleicht willst du es ja wirklich nicht, aber mir fällt es schwer, eine derartige Beleidigung einfach zu übergehen.«
Er wirkte aufgebracht. Maldie freute sich, dass immerhin einer an sie glaubte, auch wenn ihr klar war, dass es wohl vor allem darauf zurückzuführen war, dass er ihr sein Leben verdankte. Vielleicht reichte seine Dankbarkeit und seine Empörung sogar so weit, dass er ihr bei der Flucht helfen würde. Doch darum wollte sie ihn nicht bitten, schließlich war es ihr Problem, und sie wollte es alleine lösen.
»Ich frage mich nur, wie lange Balfour braucht, bis er merkt, dass er einen Fehler gemacht hat«, meinte sie.
»Du klingst ziemlich gelassen«, entgegnete er. »Fühlst du dich denn gar nicht gekränkt?«
»Doch, natürlich. Manchmal fällt es mir sehr schwer, darüber hinwegzusehen. Aber wenn ich gerade mal keine Lust habe, ihn mit einer Lanze aufzuspießen« – sie grinste, als er lachte – »dann sehe ich auch, dass er wohl kaum eine andere Möglichkeit hatte.«
»Man hat immer eine andere Möglichkeit.«
Maldie zuckte die Schultern. »Vielleicht. Aber manchmal sind alle unangenehm. Jemand hat Beaton gesagt, dass Malcolm zum Clan der Murrays gehört, und damit war sein Tod besiegelt. Aber er war der erste Murray, der je in Dubhlinn erwischt worden ist. Entweder ist Beaton auf einmal sehr schlau geworden, was ich kaum glaube, oder jemand hat Malcolm verraten. Grizel ist tot, sie kann es also nicht gewesen sein. Balfour überlegt sich, was in Donncoill anders ist als sonst, und auf wen fällt sein Blick? Auf mich. Es ist also ziemlich naheliegend, mich zu verdächtigen.«
»Nein, ist es nicht«, murrte Nigel.
»Urteile nicht so hart über deinen Bruder«, meinte sie. »Er ist der Laird, er trägt die Verantwortung für alle, die auf seinem Land leben. Und es ist ja nicht so, dass der Fremden die Schuld an allem, was schiefgelaufen ist, in die Schuhe geschoben wird. Fairerweise muss ich sagen, dass Balfour wohl selbst seine Zweifel hat. Aber da die Schlacht immer näher rückt, kann er es sich nicht leisten, zu vertrauensselig zu sein. Er hat mir angeboten, mich zu verteidigen.«
»Und warum bist du nicht darauf eingegangen?« Nigel runzelte die Stirn.
»Ich bin zornig geworden; in mir hat sich ein dummer Stolz
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