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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nickte, schaute etwas neugierig zu ihnen hinüber und ging dann die Straße hinunter. Professor Wanstead begann erst zu sprechen, als sie außer Sicht war. »Ein nettes Mädchen«, sagte er. »Jedenfalls habe ich den Eindruck. Im Augenblick lässt sie es sich noch gefallen, den Lastesel für ihre herrschsüchtige Tante zu spielen. Aber vermutlich wird sie auch bald rebellisch werden.«
    Miss Marple interessierte sich im Augenblick nicht für Joannas eventuelle Rebellion, sondern fragte: »Wie haben Sie das vorhin gemeint?«
    »Ja, nach allem, was passiert ist, sollten wir wirklich darüber sprechen«, sagte der Professor.
    »Sie meinen den Unfall?«
    »Ja. Wenn es ein Unfall war.«
    »Glauben Sie, es war keiner?«
    »Ich halte es immerhin für möglich.«
    »Ich weiß natürlich gar nichts darüber«, sagte Miss Marple zögernd.
    »Nein. Sie waren nicht dabei. Sie haben – soll ich es mal so ausdrücken – woanders Ihre Pflicht getan?«
    Miss Marple schwieg, schaute den Professor nachdenklich an und sagte dann:
    »Ich glaube, ich weiß nicht genau, was Sie meinen.«
    »Sie sind vorsichtig, das ist sehr gut.«
    »Ich habe es mir angewöhnt«, sagte Miss Marple.
    »Vorsichtig zu sein?«
    »Nein, so möchte ich es nicht ausdrücken. Ich bin bereit, jederzeit zu glauben, was man mir sagt, bin aber genauso auch bereit, es nicht zu glauben.«
    »Sie haben Recht. Sie kennen mich ja nicht. Sie wissen meinen Namen nur aus der Passagierliste einer sehr vergnüglichen Besichtigungsreise, auf der es schöne Schlösser und Gärten zu sehen gibt. Ich nehme an, die Gärten interessieren Sie am meisten.«
    »Vielleicht.«
    »Es gibt noch andere Leute hier, die an Gärten interessiert sind.«
    »Oder so tun.«
    »Aha«, rief der Professor. »Das ist Ihnen also aufgefallen.«
    Dann fuhr er fort: »Es war meine Aufgabe, Sie zu beobachten und in der Nähe zu bleiben, falls – sagen wir einmal – irgendjemand einen schmutzigen Trick versucht. Doch jetzt sieht alles etwas anders aus. Sie müssen sich darüber klar werden, ob Sie mich als Ihren Feind oder Ihren Verbündeten betrachten wollen.«
    »Vielleicht haben Sie Recht«, sagte Miss Marple. »Sie haben sich sehr deutlich ausgedrückt, aber von sich selbst haben Sie mir noch nichts erzählt. Sie waren ein Freund von Mr Rafiel?«
    »Nein«, sagte Professor Wanstead, »das nicht. Ich bin ein paarmal mit ihm zusammengetroffen, in einem Krankenhauskomitee und bei irgendwelchen öffentlichen Anlässen. Er war mir ein Begriff, und ich ihm wohl auch. Wenn ich Ihnen sage, Miss Marple, dass ich auf meinem Gebiet eine Art Berühmtheit bin, werden Sie mich für einen eingebildeten Mann halten.«
    »Wenn Sie das behaupten, wird es sicherlich stimmen. Sie sind Arzt?«
    »Aha, Sie beobachten gut, Miss Marple. Ja, ich bin Mediziner, aber ich habe ein Spezialgebiet. Ich bin Pathologe und Psychologe. Ich habe keinen Ausweis bei mir, deswegen müssen Sie mir schon so glauben. Aber ich kann Ihnen Briefe zeigen, die an mich adressiert sind, und vielleicht auch andere Dokumente, die Sie überzeugen dürften. Ich arbeite auf dem Gebiet der Gerichtsmedizin. Um es allgemein verständlich zu sagen, ich interessiere mich für die verschiedenen Formen kriminellen Denkens. Ich habe mich sehr intensiv mit diesem Thema befasst und darüber auch Bücher geschrieben. Sie sind zum Teil sehr umstritten, zum Teil aber auch anerkannt. Im Augenblick mache ich es mir etwas leichter und beschäftige mich nur mit Dingen, die mich interessieren. Hin und wieder stoße ich auf besondere Fälle, mit denen ich mich intensiver befassen möchte. Das muss Ihnen natürlich sehr langweilig vorkommen.«
    »Aber gar nicht«, sagte Miss Marple. »Vielleicht können Sie mir sogar Verschiedenes erklären. Dinge, die Mr Rafiel mir wohl nicht erklären wollte. Er hat mich gebeten, eine ganz bestimmte Aufgabe für ihn zu übernehmen, aber er hat mir keine Informationen hinterlassen, an die ich mich halten könnte. Er hat mich vollkommen im Ungewissen gelassen, und ich finde das alles ziemlich verrückt.«
    »Aber Sie haben die Aufgabe übernommen?«
    »Ja. Ich will ehrlich sein. Es war ein finanzieller Anreiz dabei.«
    »Spielte das für Sie eine Rolle?«
    Miss Marple überlegte eine Weile, dann sagte sie langsam: »Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber im Grunde nicht.«
    »Das überrascht mich nicht. Ihr Interesse war geweckt. Das wollten Sie doch damit sagen.«
    »Ja, mein Interesse war geweckt. Ich habe Mr Rafiel nicht gut

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