Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
Vom Netzwerk:
erhalten und bin gebührend beeindruckt von der shakespeareschen Komplexität Ihrer Tragödie. Jeder Beteiligte dieser Mär ist einer Verfehlung schuldig: die des Mädchens ist, dass es so krank ist, Ihre ist, dass es Ihnen so gut geht. Ginge es ihr besser oder Sie wären kränker, wären die Sterne Ihnen nicht so ungnädig, doch die Kälte liegt in der Natur der Sterne, und Shakespeare lag nie falscher, als er Cassius sagen ließ: »Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, / Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge …« Leicht gesagt, wenn man ein römischer Edelmann ist (oder Shakespeare), aber es lässt sich jede Menge Schuld in unseren Sternen finden. Das Schicksal ist ein mieser Verräter.
Wo wir gerade bei den Schwächen des alten Will sind, Ihre Beschreibung der jungen Hazel erinnert mich an das 55. Sonnet des Barden, das natürlich mit den Worten anfängt: »Kein Marmor und kein goldnes Fürstenmal / Wird meine mächt’gen Reime überleben, / Die stolzer dich für Jahre sonder Zahl / Als rauher Stein im Zeitenschmutz erheben.« (Nebenbei bemerkt: im Original bezeichnet Shakespeare die Zeit als Schlampe. Wohl wahr.) Hübsches Gedicht, aber trügerisch: Tatsächlich erinnern wir uns an Shakespeares kraftvolle Reime, aber woran erinnern wir uns bezüglich der Person, an die es erinnern soll? An nichts. Wir sind uns einigermaßen sicher, dass die Person männlich war; alles andere ist Spekulation. Von dem Menschen aber, den Shakespeare in seinen linguistischen Sarkophag gebettet hat, erzählt er uns herzlich wenig. (Man bemerke auch, dass wir, wenn wir über Literatur sprechen, das Präsens benutzen. Wenn wir von Toten sprechen, sind wir nicht so nett.) Wir machen die Verlorenen nicht unsterblich, indem wir über sie schreiben. Schreiben erhält nicht am Leben, es begräbt. (Bekenntnis: Ich war nicht der Erste, der diese Beobachtung machte. Vgl. das Gedicht von MacLeash »Kein Marmor und kein goldnes Denkmal« mit der heroischen Zeile »Ich werde sagen, du stirbst, und niemand wird sich deiner erinnern.«)
Ich schweife ab, aber hier kommt des Pudels Kern: Die Toten sind nur durch das schreckliche lidlose Auge der Erinnerung sichtbar. Die Lebenden sind glücklicherweise in der Lage, uns zu überraschen und zu enttäuschen. Ihre Hazel lebt, Waters, und Sie dürfen die Entscheidung eines anderen Menschen nicht einfach Ihrem Willen beugen, besonders nicht, wenn die Entscheidung mit Bedacht getroffen wurde. Sie möchte Ihnen Schmerz ersparen, und Sie sollten sie gewähren lassen. Vielleicht überzeugt Sie die Logik der jungen Hazel nicht, aber ich schreite nun schon länger als Sie durch dieses Tal der Tränen, und von meiner Warte aus ist nicht sie verrückt.
 
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Peter Van Houten
     
    Er hatte den Brief wirklich selbst geschrieben. Ich leckte mir den Finger ab und berührte die Schrift. Die Tinte färbte ein bisschen ab, also wusste ich, dass der Brief echt war.
    »Mom«, sagte ich. Ich sagte es nicht laut, aber das musste ich auch nicht. Sie wartete immer. Sie streckte den Kopf zur Tür herein.
    »Alles in Ordnung, Liebstes?«
    »Können wir Dr. Maria anrufen und fragen, wie schnell eine Überseereise mich ins Grab bringen würde?«

KAPITEL ACHT
     
    Ein paar Tage später hatten wir ein großes Krebs-Team-Treffen. In regelmäßigen Abständen kamen Ärzte, Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, und wer sonst noch wollte, in einem Konferenzraum zusammen und setzten sich an einen Tisch, um meine Situation zu besprechen. (Natürlich nicht die Augustus-Waters-Situation oder die Amsterdam-Situation, sondern die Krebs-Situation.)
    Dr. Maria übernahm die Leitung. Sie umarmte mich, als sie mich sah. Sie war eine große Umarmerin.
    Es ging mir ein bisschen besser, schätze ich. Nachdem ich nachts ans BiPAP angeschlossen schlief, fühlte sich meine Lunge fast normal an, auch wenn ich mich kaum erinnerte, wie sich normale Lungen anfühlten.
    Die Teilnehmer trudelten ein und stellten mit viel Trara ihre Piepser und Ähnliches ab, weil es nur um mich gehen sollte, und dann begann meine Krebsärztin Dr. Maria: »Die tolle Nachricht ist, dass Phalanxifor das Tumorwachstum weiter bremst, aber dafür haben wir natürlich immer noch ernsthafte Probleme mit der Flüssigkeitsansammlung in der Lunge. Die Frage ist also: Wie sollen wir weitermachen?«
    Und dann sah sie mich an, als erwartete sie von mir die Antwort. »Hm«, sagte ich. »Ich glaube, ich bin hier nicht die, die am besten

Weitere Kostenlose Bücher