Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
Vom Netzwerk:
und den Namen gelassen, was?«
    »So was in der Art«, murmelte meine Mutter. Der Taxifahrer fädelte sich in den Verkehr ein, und wir fuhren auf eine Schnellstraße mit blauen Schildern, auf denen Orte mit vielen Diphthongen und doppelten Vokalen standen: Oosthuizen, Haarlem. Am Straßenrand erstreckte sich kilometerweit flaches Land, gelegentlich unterbrochen von riesigen Konzernzentralen. Kurz gesagt, die Niederlande sahen genauso aus wie Indianapolis, nur dass die Autos kleiner waren.
    »Das ist Amsterdam?«, fragte ich den Taxifahrer.
    »Ja und nein«, antwortete er. »Amsterdam ist wie die Ringe eines Baums: Es wird älter, je näher man zum Zentrum kommt.«
    Es passierte ganz plötzlich: Wir fuhren von der Schnellstraße ab, und da waren die Häuserreihen, wie ich sie mir vorgestellt hatte, gefährlich über die Kanäle gebeugt, und überall Fahrräder und Coffeeshops, die mit GROSSEN RAUCHZIMMERN warben. Wir überquerten einen Kanal, und von der Brücke sah ich Dutzende von Hausbooten, die vor Anker lagen. Hier war es kein bisschen wie in Amerika. Es war wie auf einem alten Gemälde, nur in echt – fast schmerzhaft idyllisch im Morgenlicht –, und ich überlegte, wie wundervoll merkwürdig es sein musste, an einem Ort zu leben, wo fast alles von Toten erbaut worden war.
    »Sind die Häuser sehr alt?«, fragte meine Mutter.
    »Viele der Kanalhäuser stammen aus dem Goldenen Zeitalter, dem siebzehnten Jahrhundert«, erklärte der Taxifahrer. »Unsere Stadt hat eine große Geschichte, auch wenn viele Touristen nur am Rotlichtbezirk interessiert sind.« Er hielt inne. »Manche Touristen halten Amsterdam für die Stadt der Sünde, aber in Wirklichkeit ist es die Stadt der Freiheit. Und in der Freiheit finden viele Leute die Sünde.«
     
    Im Hotel Filosoof waren alle Zimmer nach filosofen benannt: Mom und ich übernachteten im Kierkegaard im Erdgeschoss; Augustus war einen Stock über uns im Heidegger. Das Zimmer war klein: ein Doppelbett an der Wand, an dessen Fuß ein BiPAP-Gerät, ein Sauerstoffkonzentrator und ein Dutzend nachfüllbarer Sauerstoffflaschen standen. Neben der medizinischen Ausrüstung gab es noch einen staubigen alten Paisleysessel mit durchgesessenem Polster, einen Schreibtisch und ein Bücherbord über dem Bett, auf dem die gesammelten Werke von Sören Kierkegaard standen. Auf dem Tisch stand ein Weidenkorb voller Geschenke der Feen: Holzschuhe, ein orangenes Holland-T-Shirt, Pralinen und andere Kleinigkeiten.
    Der Filosoof befand sich in nächster Nähe zum Vondelpark, dem berühmtesten Park von Amsterdam. Meine Mutter wollte gleich einen Spaziergang machen, aber ich war hundemüde, deshalb stellte ich das BiPAP an und setzte die Atemmaske auf. Es war unangenehm, mit dem Ding zu reden, aber ich sagte zu ihr: »Geh ruhig in den Park, und ich rufe dich an, wenn ich aufgewacht bin.«
    »Na gut«, sagte sie. »Schlaf gut, Liebes.«
     
    Als ich nach ein paar Stunden aufwachte, saß sie immer noch in dem uralten Sessel in der Ecke und las einen Reiseführer.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    »Eigentlich spät am Nachmittag«, antwortete sie und stemmte sich mit einem Seufzer aus dem Sessel. Sie kam ans Bett, stellte eine Sauerstoffflasche auf den Wagen und schloss den Schlauch an, während ich die BiPAP-Maske abnahm und mir die Nasenstöpsel in die Nase steckte. Sie stellte die Flasche auf 1,5 Liter pro Minute – sechs Stunden, bis ich eine neue Flasche brauchte –, und dann stand ich auf. »Wie geht es dir?«, fragte sie.
    »Gut«, sagte ich. »Super. Wie war es im Vondelpark?«
    »Den habe ich ausfallen lassen«, erklärte sie. »Aber ich habe im Reiseführer alles darüber gelesen.«
    »Mom«, sagte ich. »Du hättest nicht hierbleiben müssen.«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß. Aber ich wollte hierbleiben. Ich sehe dir gern beim Schlafen zu.«
    »Sagte die Würgeschlange.« Sie lachte, aber ich hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen. »Ich möchte, dass du dich amüsierst, okay?«
    »Na gut. Heute Abend mache ich was Schönes, ja? Lauter verrückte Muttersachen, während du mit Augustus essen gehst.«
    »Ohne dich?«, fragte ich.
    »Ja, ohne mich. In einem Restaurant namens Oranjee ist nämlich ein Tisch für euch reserviert«, sagte sie. »Mr. Van Houtens Assistentin hat es organisiert. Das Viertel heißt Jordan. Ziemlich schick, steht im Führer. Es gibt eine Straßenbahnstation direkt um die Ecke, und Augustus hat die Wegbeschreibung. Ihr könnt auf der Terrasse essen und die Boote

Weitere Kostenlose Bücher