Das Schiff aus Stein
wohl absolut angemessen. Rufus dagegen …« Er ließ den Gedanken unausgesprochen in der Luft schweben.
»Du bist nicht deinem Instinkt gefolgt, Rufus«, nickte No. »Oliver wollte doch auch ganz woanders hin. Nämlich zum Hafen. Das habe ich gesehen!«
Endlich machte Rufus den Mund auf. »Dann habe ich eben einen Fehler gemacht, na und? Wer sagt denn überhaupt, dass ich entscheiden muss, wo es langgeht?!«
»Na, du selbst!«, fuhr Filine auf. »Du hast uns fast befohlen, dass wir mit dir mitkommen sollten. Und zwar, als du diese blöde Taube gesehen hast! Was war denn da? Und Bent und Anselm haben auch noch gesagt, du bist der Boss, und sind dir nachgerannt.«
»Ich habe eben gedacht, er weiß, was er tut«, schimpfte Anselm.
»Ich bin nicht der Boss!« Rufus starrte Filine wütend an. »Ich hatte nur so ein Gefühl!«
Oliver schüttelte den Kopf und hob seinen Block. Er deutete auf die Skizze des Hafens.
»Er hat recht«, sagte Filine. »Dein Gefühl war ein ganz anderes. Du bist nicht deinem Gefühl gefolgt, sondern irgendwas anderem. Und jetzt lügst du uns auch noch an!« Ihre grünen Augen funkelten zornig.
Rufus schwieg erneut.
»Mann, Rufus«, sagte No. »Jetzt gib es doch wenigstens zu.«
Rufus merkte, dass er kurz vorm Heulen war. Aber er wollte auf keinen Fall vor Bent und Anselm zugeben, dass er einfach Angst vor Coralia gehabt hatte. Er versuchte sich zusammenzureißen und sagte leise: »Ihr seid doch alle voll daneben! Ich bin nicht der Boss und ich bin meinem Gefühl gefolgt. Es tut mir ja leid, wenn es der falsche Weg war, aber es ist nun mal passiert.« Er zuckte mit den Schultern und sah Oliver an. »Es tut mir wirklich leid!«, wiederholte er.
Dann drehte er sich um und ging aus dem Raum. In der Tür blieb er stehen. »Macht jetzt eben ohne mich weiter. Ich haue nicht ab, aber ich muss mal eine Weile für mich sein. Ich bin drüben in unserem Zimmer!«
Er lief in das Zimmer mit den drei chinesischen Betten und setzte sich erschöpft an den Schreibtisch. Angst! Er hatte sich von seiner Angst leiten lassen und war einfach weggerannt. Angst war ein schlechter Ratgeber. Das wusste er, und doch war sie in dem Moment zu mächtig gewesen.
Rufus seufzte.
Zum ersten Mal, seit er in der Akademie der Abenteuer war, fühlte er sich einsam. Genauso einsam, wie er sich die lange Zeit davor gefühlt hatte, wenn er nach der Schule in die leere Wohnung zurückkehrte, weil seine Mutter immer nur bei der Arbeit war.
Nachdem Rufus aus der Küche verschwunden war, sahen sich die anderen Lehrlinge an. Doch keiner sagte etwas.
Schließlich schüttelte Oliver den Kopf, nahm seinen Zeichenblock und setzte sich damit in eine Ecke. Gleich darauf war das Geräusch seiner Kreiden auf dem Papier zu hören.
Filine zupfte No am Ärmel. »Und, was machen wir jetzt?«
»Pause«, brummte No. »Ich habe gerade echt keine Lust, an der Flut weiterzuforschen.« Er wandte sich Bent zu. »Hättest du was dagegen, mir mal dein Schwert zu zeigen? Ich würde gerne mehr über das Damaszenerschmieden wissen.«
Bent lächelte erfreut. »Hast du bei Meister Zachus schon mal Damaszenerstahl hergestellt?«
»Zumindest damit angefangen«, bestätigte No. »Wir hatten neulich Feuerschweißen. Da habe ich ein paar Stunden lang den Stahl immer wieder gefaltet und zwischen den Hammerschlägen mit Flusssand bestreut, damit er nicht oxidiert und so.«
Bent ging zur Tür. »Komm, ich zeig dir was. Ich habe oben ein Buch von einem ehemaligen Lehrling darüber. Es gab zur Zeit des skythischen Königs Atheas einen Schmied, der vielleicht den besten Damaststahl seiner Zeit hergestellt hat.«
»Atheas?«, fragte Anselm. »Ist das nicht der König, der gesagt hat, das Wiehern seiner Pferde gefiele ihm besser als das Flötenspiel?«
Bent grinste. »So heißt es, ja.«
No lachte. »Okay, dann sehen wir uns das mal an.«
»Ich komme auch mit!« Anselm ging ebenfalls zur Tür.
No winkte Filine zu. »Wir sehen uns dann später.«
Filine sah ihnen nach. »Damaszenerstahl«, murmelte sie. Dann sah sie auf den großen Stapel Bücher, der neben dem Frühstücksgeschirr lag, das immer noch auf dem Tisch stand. »Macht, was ihr wollt, aber ich forsche weiter. Ich will wissen, um was es hier geht. Und ich bin sicher, dass dieser komische Mischmasch in der Stadt mir dabei helfen wird.«
Rufus saß auf seinem Bett und grübelte lange vor sich hin. Durch die alte Höranlage drangen die leisen Stimmen von No, Anselm und Bent zu ihm, die
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