Das Schiff aus Stein
über skythische Schwerter sprachen. Rufus drückte ein dickes Kissen gegen die Holzwand, um sie nicht hören zu müssen. Aber auch als es leiser war, fiel ihm keine Lösung für sein Problem ein.
Dass Anselm und Bent ihn ausspionieren sollten, machte ihm nach wie vor schwer zu schaffen. Aber solange er in der Flut war, konnte er sich nicht von hier wegbewegen, ohne diese zum Scheitern zu bringen. Und das war es sicher nicht, was er wollte.
Schließlich holte er seine Glasscherbe aus dem Beutel an seinem Gürtel und betrachtete sie von allen Seiten.
Die blaue Scherbe leuchtete mitunter gelblich, wenn er sie schräg gegen das Licht hielt. Ob es in der Stadt auf dem Fels wohl um dieses Stück Glas ging? Möglich war es. Anselm und Bent waren sich ja sicher gewesen, dass ihre Fragmente die Flut nicht ausgelöst hatten. Filine hatte das Gleiche gesagt. Und auch der Glasmacher war ein Hinweis darauf. Andererseits wusste Rufus aber nicht, was für ein Fragment No oder Oliver in ihren Beuteln hatten.
Ihm fiel ein, dass die Akademie die Flut genau in dem Moment geschickt hatte, als er von dem Diebstahl des Nikekopfes erfahren und sich gefragt hatte, was er tun sollte. Die Flut war die Antwort auf den Diebstahl und seine Befürchtungen gewesen. Eine Flut mit den anderen zusammen. Und jetzt saß er hier alleine in diesem Zimmer.
Rufus ahnte, dass das nicht richtig war. Aber er wusste auch nicht, wie er weitermachen sollte.
Seufzend ließ er sich auf sein Kopfkissen fallen und machte die Augen zu, obwohl es draußen taghell war. Aber einschlafen konnte er nicht. Kaum lag er da, hörte er wieder die Stimmen von Bent, Anselm und No, die sich nach wie vor über Schwerter, Damaszenerstahl, keltische Knollenknaufschwerter und Blankwaffen unterhielten. So wie es klang, waren sie noch begeisterter als zuvor bei der Sache.
No schien sich wirklich mit Bent anzufreunden. Sie hatten eben dieselben Interessen. Rufus zog es den Magen zusammen. Er hätte seinem Freund sagen müssen, was er wusste. Und das Gleiche galt für Filine.
Rufus presste das Kopfkissen gegen seine Ohren und versuchte an nichts mehr zu denken. Und doch kam ihm alles um ihn herum vor wie ein dunkles Wellenmuster auf einer der gläsernen Vasen, die sie gesehen hatten. Nur, dass es kein lichtes und lebendiges Muster war, sondern ein dunkles Auf und ab, aus dem kein Weg herausführte.
Als Filine und No einige Stunden später ebenfalls zu Bett gingen, schlief Rufus bereits. Es war das erste Mal, dass die drei während einer Flut im selben Zimmer schliefen, ohne sich zuvor noch über diese unterhalten zu haben.
Der geheime Garten
Tief in der Nacht huschte ein dunkler, nicht allzu großer Schatten durch einen alten Wasserkanal in Meister Otomos Haus. Er trippelte auf leisen Pfoten durch einige Räume, sprang die Treppe hinauf und von dort weiter durch eine angelehnte Tür in ein Zimmer, in dem drei rötlich glänzende chinesische Betten standen.
Ohne eine Sekunde zu zögern, lief der Schatten zum linken äußeren Bett und richtete sich an der Bettkante hoch auf.
Dann ertönte ein leises Pfeifen.
Als sich nichts regte, sprang der Schatten mit einem leichten Satz auf das Bett und lief quer über die Bettdecke zum Kopfkissen, unter dem ein Kopf vergraben lag. Wieder pfiff es.
Doch der Kopf rührte sich nicht.
Kurz entschlossen packte der Schatten das Kopfkissen an einem Zipfel und zog es mit aller Kraft zur Seite.
Darunter kam ein roter Schopf zum Vorschein und ein weißes Gesicht, in dem jede Menge Sommersprossen glänzten.
Der Schatten pfiff wieder. Nichts rührte sich.
Mit einem Sprung landete der Schatten auf dem Gesicht des Schlafenden.
»Uh!«, ertönte es. »Hilfe, was …? Ah!« Rufus riss die Augen auf und starrte entsetzt in die Dunkelheit. »Was ist denn los?«
Seine Hände fuhren durch die Luft.
Im nächsten Augenblick stupste ihn eine Schnauze gegen die Wange.
Rufus beruhigte sich. »Minster?«, flüsterte er. »Bist du das?«
Der Schatten streckte sich und trommelte mit den Pfoten auf seine Brust.
»Sind wir in einer Traumflut, Minster?«
Die Bisamratte fauchte leise. Dann drehte sie sich um und sprang vom Bett auf den Boden.
Rufus sah ihr nach. Sein Blick wanderte durch das Zimmer und er begriff, dass Minster ihn geweckt hatte. Also handelte es sich wohl eher nicht um eine Traumflut. Oder doch?
Er richtete sich im Bett auf.
Minster wandte ihm den Kopf zu und ihre schwarzen Knopfaugen funkelten in der Dunkelheit.
»Minster, was ist
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