Das Schiff aus Stein
unter dem Einfluss von bestimmten Stoffen verhält. Und Amilcar kennt sich mit Farben aus! Er weiß, wie er das Glas färben kann. Er hat sogar einen Sklaven darin unterrichtet.
»Aber eine Farbe im Glas sieht man doch auch«, meinte Rufus.
Nicht jede, schrieb Oliver und deutete auf sein Bild. Es gibt lichtdurchlässige Farben wie das sogenannte Silbergelb. Sie scheinen sehr durchsichtig auf dem Glas. Aber man sieht sie trotzdem noch, wenn das Glas durchsichtig ist. Wenn das Glas aber sehr dunkel ist, sieht man sie mal und mal nicht, je nachdem, wie man das Glas gegen das Licht hält. Mit dem Licht betrachtet, ist es zum Beispiel lila, wie hier auf meinem Bild. Oliver wies auf das dick bemalte Blatt Papier. Dann hob er dieses gegen das Licht, und plötzlich schimmerten die Stellen, auf denen er die hellere Farbe aufgetragen hatte, heller.
»Und so sieht es aus, wenn man es gegen das Licht hält«, sagte Rufus. »Wow!«
Oliver nickte heftig. Er schrieb: Man sieht diese Farben also nur, wenn man sie gegen das Licht hält. Es ist eine Art Atzfarbe. Und das könnte Amilcar entdeckt haben. Schon vor der Glasbläserei. Das ist sein Handwerk.
»Dann weiß er mehr als Coralia«, kicherte Rufus.
Oliver lächelte und schrieb: Er ist seiner Zeit voraus, und das hat sie nicht bedacht. Sonst hätte sie die Flut wirklich wieder zurückgeholt. Denn ihre Idee war genial! Und das wollte sie doch auch. Sie wollte mit uns in die Flut, da bin ich mir sicher. Sie hat es nur nicht geschafft.
Rufus stieß die Luft aus und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ja, es sah so aus. Filine denkt das auch. Aber Coralia hat es gut verborgen. Wie raffiniert und wie heimtückisch, dann noch so zu tun, als hätte sie uns den Hinweis aus purer Großzügigkeit nicht gegeben, um uns nicht zu stören.«
Oliver zuckte die Achseln. Er schrieb: Die Grundidee ist richtig. Aber worum es genau geht, ist eine unsichtbare Botschaft, die man nur im Licht sieht.
Im selben Augenblick war die Flut wieder da.
»Flut, Leute!«, rief No verblüfft. »Wieso kehrt sie denn jetzt gerade zurück? Wir sind doch alle nur mit Essen beschäftigt.«
»Oliver nicht«, sagte Rufus. »Er hat den richtigen Gedanken gehabt!«
»Super, Mann!« No lief zu Oliver und schlug ihm auf die Schulter. »He, guckt mal, das sieht aus, als wären wir beim König von Veji gelandet!«
No hatte recht. Amilcar stand mit einem dunklen Glasgefäß in einem großen Saal vor König Laris und hielt es ihm entgegen. Das Glas war grünlich und trübe.
»König von Veji«, sagte der junge Glasmacher in sehr holperigem Etruskisch. »Ich habe dir, seit ich hier bin, so viel Glas gemacht, wie es mir möglich ist. Nun verlangst du mehr Glas, um es zu verkaufen. Ich bin dein Gefangener und gehorche dir. Doch ich habe dir auch einen Vorschlag zu machen. Sieh dieses Glas.« Amilcar hielt das Gefäß hoch. »Ich habe es wie alles Glas, seit ich bei euch lebe, aus dem Sand gemacht, den deine Männer mir bringen. Es ist ordentlicher Sand, ich kann Glas aus ihm machen. Doch es ist auch, verzeih mir, wenn ich dies sagen muss, nicht der beste Glassand.«
»Sand ist Sand – oder etwa nicht?«, knurrte der König.
»Sand ist nicht Sand«, entgegnete ihm Amilcar und warf Hanno, der rechts an der Seite stand, einen Blick zu.
»Der Sand hier lässt das Glas nicht in seiner vollen Pracht erblühen. Es glänzt nicht und seine Farben sind düster.«
»Dann mach es besser!«, fuhr ihn der König an.
»Das werde ich!«, sagte Amilcar stolz. »Wenn ich den richtigen Sand bekomme.«
Rufus sah ebenfalls zu Hanno. Der Sklave hielt die Hände zusammengepresst, als würde er beten. Und plötzlich war Rufus klar, was Amilcar getan hatte. Er hatte dem Sand wie damals in Tyros weniger Kalk beigemischt, um es so aussehen zu lassen, als tauge er nichts. Er versuchte, den König hereinzulegen.
»Aber das ganze Ufer des Meeres ist voll davon. Dort gibt es nichts außer Sand.«
»Und doch«, wiederholte Amilcar fest, »ist es nicht der Sand, den ich brauche. Der feinste Sand zum Glasmachen findet sich an den Ufern eines Flusses in meiner Heimat. Nicht umsonst haben die Tyrener es in der Kunst des Glasmachens so weit gebracht.«
König Laris lachte auf. »Wenn du glaubst, ich würde dich auf einem Schiff dorthin bringen, damit du den Sand holst, irrst du dich. In Rom beginnen sie bereits mit den Kriegsvorbereitungen gegen Veji. Besitzlose werden rekrutiert und ihnen wird versprochen, dass sie einen festen Sold
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