Das Schiff der Abenteur
einen Brunnen neben einem verfallenen Haus und sah in seiner Tiefe Wasser blinken. Wie sollte er aber dorthin gelangen? Da hatte er eine Idee. Er holte sich Lucys Krug mit dem abgebroche-nen Henkel, band einen Bindfaden herum und ließ ihn in den Brunnen hinunter. Dann zog er ihn, mit klarem kaltem Wasser gefüllt, wieder nach oben. Der Krug faßte nicht viel, und er mußte ihn ein paarmal in den Brunnen hin-unterlassen, damit alle ihren Durst löschen konnten. Dazu aßen sie Brot und Käse. Ihre Vorräte waren nun bald zu Ende. Hoffentlich brachte der Knirps heute wieder etwas zu essen.
»Geh mal zur Bucht hinunter, Jack, und sieh nach, ob Andros etwa zurückgekommen ist«, sagte Bill, als sie mit dem Frühstück fertig waren. Jack lief davon und kam nach kurzer Zeit wieder zurück. Er hatte nichts von dem Motorboot gesehen.
»Dann müssen wir eben noch warten«, sagte Bill ruhig.
»Es kann ja nicht mehr lange dauern, bis man uns holen kommt. Erstens wird Tim uns bald vermissen. Und dann wird Andros vielleicht wieder Vernunft annehmen und zu-rückkehren.«
Ungefähr um zwölf Uhr mittags hörten sie wieder die Eselsglocke läuten. Gleich darauf bog der Esel mit dem Knirps auf dem Rücken um die gleiche Straßenecke wie am Tage zuvor. Diesmal wußten Bill und die Kinder, was sie zu tun hatten. Rasch packten sie die Körbe aus und drückten dem Knirps ein paar Münzen in die Hand. Er schien sehr zufrieden mit dem heutigen Empfang zu sein und galoppierte lächelnd unter dem Läuten der Glocke davon. Die Kinder starrten ihm nach, als wäre er einem Märchen entsprungen.
Bill riß sie aus ihrer Versunkenheit. »Kommt! wir wollen die Sachen schnell verstecken, bevor die Leute auftauchen, für die sie bestimmt sind. Und dann wollen wir etwas essen. Ich habe einen Bärenhunger.«
Sie trugen den Proviant in den Raum, in dem sie geschlafen hatten, aßen sich satt und verbargen die Reste im kühlen Gras. Bill überlegte, ob er zu einem der Bauernhäuser gehen sollte, die sie vom Gipfel des Berges aus gesehen hatten. Aber die Inselbewohner konnten ihm schließlich auch nicht helfen. Und dann wußte er ja gar nicht, wie sie ihn empfangen würden. Vielleicht sollte er sich lieber nicht von ihnen sehen lassen. Auf dieser einsamen Insel war er ihnen schutzlos ausgeliefert. Er konnte beraubt oder gefangengenommen werden.
Jack bat Bill, ihm die abgezeichnete Karte zu geben, um sie noch einmal studieren zu können. »Es wird allerdings nicht viel Zweck haben«, meinte er grinsend. »Seitdem ich auf Thamis bin, halte ich nicht mehr viel von der ganzen Sache. Es ist schwer, an die Schätze zu glauben, wenn man von lauter Ruinen umgeben ist.«
Bill gab ihm die Karte. Jack zog sich damit in eine schattige Ecke des alten Tempelhofes zurück. Lucy ge-sellte sich zu ihm. Kiki ließ sich zwischen den Geschwi-stern nieder und machte hin und wieder eine Bemerkung.
Tief beugten sich die beiden Rotköpfe über die Karte.
»Da sind so furchtbar viele Bezeichnungen, daß man sich kaum durchfindet«, sagte Jack. »Hier steht zum Beispiel
'Zwei-Finger'. Nun, das ist der Felsen, den wir schon kennen. Aber hier ganz am anderen Ende steht 'Glocke'. Was soll das nur bedeuten? Wo befinden sich Glocken? Ein Esel kann eine Glocke haben, Schulen haben Glocken und ...«
»Kirchen«, fiel Lucy ein. »Vielleicht hatte dieser alte Tempel früher auch eine Glocke, Jack.« Sie blickte sich aufmerksam um, konnte jedoch keinen Platz entdecken, an dem eine Glocke gehangen haben könnte.
Jack warf ihr einen überraschten Blick zu. »Natürlich, der Tempel wird eine Glocke gehabt haben. Vielleicht ist er einer der .Wegweiser zum Schatz, Lucy.«
»Glaubst du?« fragte Lucy zweifelnd. »Aber der Schatz wurde doch sicher irgendwo tief in der Erde versteckt und nicht hier oben im Tempel. Der Eingang hinter dem Felsen 'Zwei-Finger' lag doch auch viel tiefer unten am Berg direkt über der Bucht.«
»Vielleicht ist der Schatz unter dem Tempel verborgen«, meinte Jack. »Vielleicht befanden sich hier früher unterirdische Gewölbe. Ja, das ist sogar sehr gut möglich. Aber wenn hier früher unterirdische Gewölbe waren, so müssen sie auch jetzt noch da sein. Gewölbe verfallen nicht.
Sie sind ja nicht Regen, Wind und Sonne ausgesetzt wie Häuser. Gewölbe! Vielleicht liegen sie sehr tief in der Er-de. Womöglich sind sie durch einen unterirdischen Gang mit der Küste verbunden, so daß man sie unbemerkt von See her erreichen konnte. Seeleute könnten den Gang
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