Das Schiff der Hoffnung
knallten zehn Peitschen auf einmal.
»Neugier ist das letzte, was Sie haben sollten!« sagte Sampieri. »Es ist am besten, Sie fragen so wenig wie möglich. Er liebt es, selber zu reden, und erwartet, daß die anderen zuhören. Außerdem ist es fraglich, ob er Sie mitnimmt.«
»Wir wollen das Beste hoffen.«
Die zwei Stunden Wartezeit verbrachten sie dann im Restaurant ›Adriatica‹ auf dem Ende der Molo S. Nicola. Sie saßen an sauberen, gelb gedeckten Tischen hinter einer riesigen gläsernen Wand und sahen hinaus aufs Meer, auf den Porto Vecchio, auf die Molo S. Antonio mit dem kleinen Leuchtturm und hinüber zur Altstadt mit der Kathedrale und dem wehrhaften Castello. Kellner mit Servierwagen voll Früchten, Eierspeisen, gefüllten Tomaten, Reisallerlei, Tintenfischen, Muscheln und kleinen, in Öl gebackenen Fischen umringten sie. Aber sie hatten kaum Appetit, aßen nur ein paar Kleinigkeiten und tranken einen leichten Roséwein.
In den Hafen fuhr nach über einer Stunde, von Süden kommend, eine herrliche, weiße Motorjacht ein. Majestätisch glitt sie zwischen den kleinen und schmutzigen Fischerbooten in den Porto Vecchio, und die Ruderkähne, die in ihrem Kurs lagen, machten schnelle Bewegungen, um das Wasser für das weiße Schiff freizumachen. Die Sonne spiegelte sich in den blanken Fenstern der Deckaufbauten.
»Da kommt Saluzzo«, sagte Sampieri und nahm einen tiefen Schluck Wein.
»Geld hat er.« Hellberg und Claudia sahen zu dem herrlichen Schiff. Ein Mann in weißem Anzug stand neben der Brücke, auf dem Kopf eine goldbestickte Kapitänsmütze. »Ist er das?«
»Nein. Das ist Luigi Foramente, im wahrsten Sinne des Wortes die rechte Hand Saluzzos, denn er allein hat das Seepatent und kann einen solchen Kahn fahren. Ein Gauner, wie er in Romanen steht, aber ein kleiner, schmieriger Gauner, der vom Abglanz des großen Saluzzo lebt. Es ist schon eine herrliche Besatzung!«
»Wovon lebt Saluzzo eigentlich?«
»Von allem. Er bezahlt die höchsten Steuern in der ganzen Provinz, freiwillig, und deshalb fragt ihn auch keiner, woher das Geld kommt. Solange es fließt und fließt und die Kassen füllt, ist Saluzzo ein geachteter Mann. Außerdem hat man Angst, daß er ein Mafioso ist.«
»Auch das noch!« Es war Claudia, die es sagte. Für sie als Italienerin war die Mafia ein fester Begriff. Sie schauderte und starrte auf die weiße Jacht, die lautlos in den alten Hafen glitt.
»Saluzzo handelt offiziell mit Teppichen«, sagte Sampieri und strich sich nervös über die schwarzgelockten Haare. »Aber niemand kann sich erinnern, Saluzzo jemals mit einem Teppich gesehen zu haben.« Sampieri erhob sich, winkte dem Oberkellner und ließ Hellberg für sie alle zahlen. »Gehen wir, Freunde.« Und draußen, auf der Molo S. Nicola, blieb er noch einmal stehen und sah Hellberg fest in die Augen. »Was ich tue, mein Lieber, ist gegen meine Überzeugung, das muß ich noch einmal betonen. Ich mache Sie mit Saluzzo bekannt, alles andere ist Ihre Sache! Machen Sie mich später nicht für Dinge verantwortlich, die Ihnen an die Leber gehen können. Ich weiß von nichts, und ich habe Sie auch nie mit Saluzzo zusammengebracht.«
»Ich verstehe.« Hellberg sah, wie die weiße Jacht anlegte und die Leinen an Land geworfen wurden. Ein Fallreep mit blitzendem, verchromtem Geländer wurde über Bord geschoben.
»Wenn wir von Sarajewo zurückkommen, werde ich Ihnen alles erzählen, was uns Saluzzo, Ihr Gentleman-Teufel geboten hat.«
»Falls Sie zurückkommen! Oder überhaupt erst hinkommen. Das normale Fährschiff braucht bis Dubrovnik 9 Stunden, mit der Jacht werden es gut 14-16 Stunden sein. Sechzehn Stunden mit Saluzzo allein auf hoher See – das ist ein Buch voller Erlebnisse.«
»Das ich nie schreiben darf.«
»Ich habe Ihr Ehrenwort.«
»Und ich halte es.« Hellberg legte den Arm um Claudias schmale Schulter. »Es geht ja um Claudias Gesundheit, um nichts anderes.«
Im Gewimmel des Fischmarktes warteten sie dann noch etwa zwanzig Minuten, kauften sich Eis und sahen den lautstarken Verhandlungen um die Fischpreise zu. Enrico Sampieri war allein zu der weißen Jacht gegangen, um mit Saluzzo zu sprechen und zu erkunden, ob es überhaupt einen Sinn hatte, Hellberg und Claudia Torgiano vorzustellen.
Als Sampieri zurückkam und sich durch die Fischkäufer schob, hatte sein Gesicht einen fröhlicheren Ausdruck als bei seinem Weggang.
»Kommt mit!« sagte er und schien wie von einer großen, inneren Last befreit zu
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